Samstag, 29. September 2018

Der strategische Vikinger



Death will take those who fight alone
But united we can break a fate once set in stone

Malukah, Reignite

Am Samstag, dem 15.09. war es soweit. In Wächtersbach fand der Iron Viking statt. Bei diesem OCR-Lauf handelt es sich weniger um einen Wettkampf als um eine Herausforderung für sich selbst - zumindest ist das meine Sichtweise darauf. Die Daten sind beeindruckend, um nicht zu sagen: sie schrecken sicher den einen oder anderen ab. Es geht darum, ungefähr 42km mit mehr als 100 Hindernissen in der Zeit von 7,5h zu bewältigen. Ein ganz schönes Brett.

Ich kann im Nachhinein gar nicht mehr genau sagen, weshalb ich mich dafür angemeldet habe - da schwang einiges mit. Zunächst wollte ich auf jeden Fall die Medaille haben. Das kam daher, dass ich bei einigen Vereinsmitgliedern im OCR Munich gesehen hatte, dass sie sich diese erkämpft hatten. Und sie sieht wirklich gut aus. Zum anderen wollte ich mich auch Iron Viking Finisher nennen können - das ist eindeutig so ein Ego-Ding. Am wichtigsten war jedoch etwas anderes: die Frage, ob ich einen solch langen Lauf mit Hindernissen durchstehen kann. Nachdem ich mich angemeldet hatte, habe ich mir immer und immer wieder die Webseite des Laufes angeschaut und war auch immer wieder aufgeregt und unsicher, ob ich ihn schaffe. Das war so wie Weihnachten. Dann stellt man sich vor, die Medaille um den Hals zu haben und schon fängt man an, unruhig auf dem Stuhl hin und her zu rutschen... Das letzte Mal, dass ich so etwas erlebt hatt, war als ich mich zu meinem ersten Getting Tough The Race angemeldet und anschließend realisiert hab, was grad passiert war.

Der Iron Viking findet im Rahmen des Strong Viking statt. Bei diesen Läufen gibt es sowohl einige sehr technische als auch relativ leichte Hindernisse. Sie sind recht gleichmäßig über die Strecke verteilt. Außerdem liegen die Penalties für ein Nicht-Schaffen lediglich bei 10 Burpees. Mit diesem Konzept unterscheidet sich der Strong Viking stark vom Getting Tough The Race, bei dem es zunächst eine längere Laufstrecke zu bewältigen gilt und der am Ende mit einem Feuerwerk von Hindernissen aufwartet. Aber auch von Spartan Races (von denen ich noch keins gemacht habe), bei denen die Penalties deutlich höher sind. Diese Varianz in den einzelnen Veranstaltungen sorgt dafür, dass es beim OCR nie langweilig wird.

Ich habe versucht, an den Iron Viking strategisch heranzugehen, da ich noch nie eine so lange Distanz mit gleichverteilten Hindernissen bewältigt habe. Folgende Punkte galt es zu beachten:
  1. Distanz: Es galt einen Marathon zu laufen. Und da bei OCR-Läufen meistens ein kleines "+" hinter den Distanzangaben zu finden ist, hieß das sogar "mindestens einen Marathon". Das sollte sich am Ende als wahr herausstellen. Also begann ich über einen Zeitraum von 3,5 Monaten, meine Laufdistanz wieder auf ein höheres Niveau zu bringen. In diesen 3,5 Monaten hatte ich 8 längere Läufe, in einem Bereich von mindestens 20km bis maximal 38km. Dazu kamen natürlich noch viele kürzere Trainingsläufe.
  2. Höhenmeter: Leider war mir das Höhenprofil des Iron Viking vorab nicht bekannt. Deswegen musste die Strategie hierfür eindeutig Höhenmeter-Training sein. Dafür habe ich sowohl einen Berglauf im schönen Pitztal genutzt, der mir einiges abverlangt hatte, als auch ein paar Höhenmeter-intensive Läufe und eine Wanderung im Urlaub auf der Insel Pico. Im Endeffekt war das nicht viel, aber es reichte. Hätte der Iron Viking mehr Höhenmeter parat gehabt, wäre das wahrscheinlich zu wenig gewesen.
  3. Kälte. Ich bin zwar gut in der Lage, Kälte auszuhalten. Das heißt jedoch nicht, dass ich nicht friere. Und wenn ich friere, werde ich aufgrund längerer Pausen zum Aufwärmen und Nahrung aufnehmen langsam. Aber durch den Termin im September war diese Gefahr nicht gegeben. Es sollte sich sogar herausstellen, dass die Wetterbedingungen dieses Jahr besonders gut sein sollten.
  4. Kraftausdauer und Hindernistechnik: Auch diese galt es durch Training zu addressieren. Leider sind meine Schultern (speziell die Rotatorenmanschetten) seit geraumer Zeit überlastet, was mich hier zu einem äußerst konservativen Ansatz zwang. Ich habe mich entschieden, nicht unser Vereinstraining zu nutzen, obwohl das sehr gut ist. Jedoch ist es schwierig in einer Trainingsgruppe die Intensität zu drosseln - geht mir jedenfalls so - da es dort immer eine gewisse Dynamik gibt und man sich auch nicht als Langsam-Trainierer die Blöße geben will. Aber ich habe es vermisst. Stattdessen habe ich mir ein paar Übungen selbst zusammengestellt (mittlerweile kenne ich ein paar und weiß auch wie sie wirken) und habe daraus dann ein moderates Kraftausdauer-Training für mich gebastelt, das ich in den letzten 5 Wochen vor dem Wettkampf relativ regelmäßig durchgeführt habe.
  5. Energiezufuhr während des Laufes: Über diesen Punkt hab ich lange nachgedacht und die Lösung hierfür fand sich erst ca. 2 Wochen vor der Challenge in Form eines Kommentares in einem Facebook-Thread genau zum Thema Iron Viking. Schließlich habe ich das wie folgt gelöst: Ich habe auf einem Tisch ein paar Gels deponiert und in eine extra für den Viking gekaufte neue Hose 3 weitere gesteckt. Da man mehrmals durchs Ziel kommt, konnte man die Gels, die man unterwegs genutzt hatte, wieder auffüllen. Unterwegs gab es genügend VPs, sodaß keine Energieknappheit zu befürchten war. Das hat perfekt funktioniert.
Und dann war er da - der Race Day (AAAAH, Its RACE DAY!!!). Ich fühlte mich gut. Am Vorabend gabs beim Italiener im Nachbarort Pasta zum Abendbrot und Pizza zum Nachtisch. Karboloading vom Feinsten. Ich hatte mich mit Kai aus dem Verein verabredet, um Ihm seine Vereinsshirts zu überbringen. Beim Bag Drop gab ich Ihm die Shirts. Da trafen wir Stefan, den wir beide noch nicht kannten. Er sah, dass ich ein bisschen ziellos durch die Landschaft steuerte und half gleich aus mit Infos über den Tisch für die Gels und wo so die wichtigsten Stellen auf dem Gelände waren. Wir kamen ins Gespräch und währenddessen überein, dass wir zusammen laufen könnten, denn er hatte sich auch für den Iron angemeldet. Es stellte sich heraus, dass er dieses Jahr bereits seinen zweiten Iron Viking lief und insgesamt bereits 19 Strong Viking Läufe hinter sich gebracht hatte. Ein echter Veteran also und für mich ein wahrer Glücksfall, ihn getroffen zu haben. Kai lief die OCR Series und war plötzlich verschwunden - die Series-Starter scheinen überall etwas schneller zu sein.

Ich blieb an Stefan dran. Wir schauten uns die letzten Hindernisse der Beast-Runde an, die unsere erste war. Das waren die schwersten Hindernisse. Der Dragon Tail flößte mir keinen Respekt ein und auch das Wheel of Steel glaubte ich, schaffen zu können. Aber das Low Rig und das Moving Pegboard betrachtete ich sehr ehrfürchtig. Mein Gefühl sollte mich nicht täuschen. Das Gelände war an einem kleinen See gelegen, der natürlich auch noch in den Lauf mit eingebaut wurde. Allerdings war noch nicht klar, was auf der anderen Seite auf uns wartete.

Nachdem die Series-Läufer auf die Strecke geschickt waren, wärmten wir uns kurz auf und begaben uns dann in den Startbereich. Der Ansager, Motivator - oder wie auch immer - (sein Name war Robert) heizte uns gut ein und nahm uns zunächst das Versprechen ab, ihm für jedes nicht geschaffte Hindernis 10 Bucks zu zahlen (und 20 für jedes nicht versuchte) und anschließend den Schwur, den Iron Viking stets zu ehren. Dann kam der weiße Nebel. Stefan stand eben noch neben mir und plötzlich war er weg, genau wie meine Hand vor Augen. Beide kehrten jedoch nach kurzer Zeit zurück. Dann fiel der Startschuß und wir wurden über die 3m hohe Startwand auf die Strecke geschickt.

Es war phantastisch. Das Wetter perfekt: Sonne, knapp 20 Grad Celsius. An den Vortagen war es trocken und deshalb waren auch die Trails perfekt. Es staubte den ganzen Lauf über. Einzig der Mud Crawl wurde an den Stellen, wo die meisten Läufer entlang robbten oder rollten etwas feuchter. Ansonsten blieb der Mud in den dafür vorgesehenen Mud Trenches und der Rest der Strecke war wunderbar trocken. Das war auch gut so, denn teilweise ging es quer durch den Wald, was lauftechnisch sehr anspruchsvoll war. Nässe und Matsch - wie im Vorjahr - hätten das Vorankommen mit Sicherheit stark erschwert.

Stefan und ich waren gut unterwegs. Zunächst rechneten wir uns aus, die Distanz in 6 Stunden zu schaffen. Natürlich auf Basis unseres Anfangspace. Allerdings war mir klar, dass ich dieses Tempo nicht komplett durchhalten konnte. Zum Glück war Stefan zum einen ein besserer Läufer als ich (er war auch 11 Jahre jünger) und zum anderen ein super Pacemaker. Wir waren uns einig, dass es nicht darum ging, als erste ins Ziel zu kommen, sondern den Lauf erfolgreich innerhalb der Cut off Zeit zu finishen.

So trabten wir den Beast-Hindernissen entgegen. Auf dem Weg dorthin war im Prinzip alles für mich mit meiner beschränkten Kraftausdauer machbar. Am besten war der Flying Ragnar, ein Hindernis, bei dem man von einer Plattform aus an einem langen Pendel schwingen musste und ein Glocke berühren. Danach flog man 2-3 Meter tief ins Wasser. Der Hammer! Aber dann ging es los. Bei den Atlas Stones haben wir uns geholfen. Der Weaver 2.0 war hart aber ich hab ihn geschafft. Gunnors Rope (Hangeln an Hosenbeinen) - no chance! Gunnors Struggle (mit Querlatte auf Holzgerüst vorwärts hüpfen): Check! Strong wall: Check! Moving Pegboards: mehr als ich erwartet hätte - ich glaube, die ersten 4-5 hab ich geschafft, aber insgesamt: No chance! Und jedes mal 10 Burpees. Stefan hat echten Teamgeist gezeigt und immer Burpees geteilt. Unglaublich! Wir waren echt froh, als wir nach ungefähr 3 Stunden und 11 Minuten die 22km lange Beast-Runde hinter uns gebracht hatten und die Walhalla-Steps das erste Mal überquerten.


Wir machten eine kurze Pause am Tisch. Ich hatte die ganze Runde nur von den VPs gelebt und schmiss mir jetzt 2 Gels auf einmal ein. Gute Entscheidung. Leider hatte ich kein Getränk gebunkert! Schlechte Entscheidung! Allerdings standen nach ein paar Metern zwei Buben mit einem "inoffiziellen" Wasserstand an der Strecke - da konnte ich die Gels runterspülen. Glück muss man haben. Die Monkey Snakes, die bereits auf der Lightning Runde und somit für uns 3mal zu erledigen waren, hatten es diesmal schon in sich. Aber ich habe sie auch beim zweiten Mal geschafft.

Das besondere an der zweiten Runde war, dass auch alle anderen Läufer der kürzeren Distanzen unterwegs waren. Somit ganz schöner Verkehr. Aber immer wenn wir auf eine Gruppe aufliefen, sagte Stefan "Achtung, Grün von hinten!" und wir wurden vorbei gelassen. Auch an den Hindernissen gabs es für uns keine Wartezeit. Ein Grund, nur den Iron zu laufen :) Kurz bevor wir die Lightning-Runde das zweite Mal beendeten, gabelten wir Michael von den Mudbusters bei den Water Hurdles auf. Auch hier kamen wir gleich ins Gespräch und so blieben wir für den Rest des Laufes zusammen. Meine Beine waren am Ende. Auch Michael war "angeschlagen". Einzig Stefan zeigte keine Ermüdungserscheinungen, und das, obwohl er eine Woche zuvor in Oberndorf beim Trifekta-Wochenende am Start war. Naja, junger Hupfer....

So pushten wir uns gegenseitig durch den Rest der Warrior Distanz (Runde 2). Michael und ich gingen immer mal und Stefan zog! Die Hindernisse alle bekannt. Wheels of Steel habe ich diesmal leider nicht geschafft. Ivar's Walk sucks - besonders mit schwachen und zu Krämpfen neigenden Beinen. Aber auch geschafft, genau wie alle anderen Hindernisse auch. Apropros Krämpfe: Die drohten unterwegs auch, aber aus Gründen, die ich nicht genau kenne, kamen sie nie komplett zum Zuge. Wahrscheinlich weil das Training gut genug war. Wir hatten jetzt ca. 38km auf der Uhr und überquerten die Walhalla Steps das zweite Mal.

Dann Routine: Am Tisch zwei Gels einwerfen, ärgern, dass ich kein Wasser gebunkert hatte und weiter. Dragon Ropes das dritte Mal rauf! Die Buben ein paar Meter weiter standen immer noch am Weg. Ich nahm auch diese Runde wieder etwas zu Trinken und Bedankte mich. Die beiden hatte wirklich der Himmel (Walhalla?) gesandt. Danach ging es wieder auf die Balance Bars. Die schaffte ich auch bei diesem Durchgang, was mich extrem euphorisch stimmte. Überhaupt hatte ich das Gefühl, dass die Kraft - speziell in die Beine - langsam wieder zurück kam. Dass ich den Dark Place ausgerechnet bei einem OCR das erste Mal durchschreite, hätte ich nie gedacht. Trotzdem - die Monkey Snakes gingen diesmal nicht mehr komplett.

Langsam aber sicher schlossen hinter uns zwei Mädels auf und es dauerte nicht lange, da liefen sie an uns vorbei. Als sie schon ein Stück entfernt waren, begann Stefan, hinter ihnen her zu spurten und fragte sie, ob sie beim Brother Log Carry auf uns warteten. Zu fünft einen sackschweren Baumstamm schleppen ist besser als zu dritt. Als wir dort ankamen, waren wir schließlich zu siebt. True Viking Brothers and Sisters!! Die Runde mit dem Baumstamm war so schnell erledigt, wie bei ersten Mal. Einer setzte sich jedoch danach wieder ab. Wie sich im Laufe der letzten Runde herausstellen sollte, war eine der beiden Vikingerinnen Anette, die auch Mitglied bei OCR Munich war. Sonst lasen wir uns immer nur im Whatsapp Chat... Beim Viking Battle teilten wir das letzte Mal ein paar Burpees. Michael wollte uns ziehen lassen, aber wir ließen ihn nicht stehen. Er musste mit! Schließlich gelangten wir das letzte Mal beim Storm the Castle an. Diesmal ging ich vor und rannte gleich aus vollem Lauf hinauf. Die reine Euphorie, denn danach kam der Flying Ragnar zum dritten Mal und die Water Hurdles. Die nahm ich diesmal schwimmend. Als wir das letzte Mal den Brother Hill erklommen und anschließend Richtung finalem Zieleinlauf abbogen, waren wir wie beflügelt. Meine Beine taten nicht mehr weh. Ich glaube, ich hätte weiter laufen können. Aber vielleicht war das auch Selbstbetrug.

Wir halfen uns das letzte Mal die Walhalla Steps hoch und standen plötzlich oben! Im Ziel! Nach 6 Stunden und 51 Minuten. Ich habe nicht mal vergessen, meine Streckenaufzeichnung zu stoppen. Es war unglaublich! Ich konnte nicht fassen, dass ich 45 Kilometer gelaufen war - im Prinzip mein erster Ultra - und dabei mehr als 100 Hindernisse veruscht und allergrößtenteils überwunden hatte. Der Lohn für 3,5 Monate intensives Training. Als wir durch den Zielbereich gingen, bekamen wir ein Bier. Automatisch wurden wir zum Medal Point gelaitet (an dieser Stelle muss ich einwerfen, dass die Streckenlogistik einfach nur genial war) und bekamen unsere verdiente Medaille. Im nächsten Zelt gab es das T-Shirt und im übernächsten Zelt ließen wir von unserer finalen 6er Gruppe ein schönes Finisher-Foto machen. Wir quatschten noch ein bisschen während wir unser Bier austranken und dann löste sich unsere Bruderschaft auf Zeit auch leider schon wieder auf.

Geblieben sind die Erinnerung an ein geniales Event, die Vorfreude auf die Läufe, bei denen man dann bekannte Gesichter wiedererkennen und vielleicht wieder ein paar Meter des Weges miteinander teilen kann und die Gewissheit, dass demnächst meine Jagd nach den Strong Viking Medaillen beginnen wird.




Donnerstag, 6. September 2018

Schmerzen, Zucker und Landschaft - ein Genuß

Endlich war Freitag. Nach einem kurzen Tag im Home Office haben wir schnell noch ein paar Sachen eingepackt und brachen ziemlich zeitig gen Pitztal auf. Ich war heilfroh, dass ich endlich der seit Tagen andauernden Hitze entfliehen konnte. Die Checkliste mit der Pflichtausrüstung hatte ich schon tagelang verinnerlicht und zum gefühlt 100. Mal geprüft.

Pflichtausrüstung? Klar, es ging zum Pitz Alpine Glacier Trail, einem Trailrunning Event,bei dem man sich so richtig verausgaben konnte. Es wurden insgesamt 6 verschiedene Strecken angeboten, mit 15, 26, 42, 85 und 100km. Von den 42ern gab es 2 Varianten - einen "einfachen", der 2 Mal zum Rifflsee führt und einen schweren, bei dem man, genau wie der 85er und der 100er zuerst auf den Mittagskogel hinauf muss, um dort den Pitztaler Gletscher zu queren. Besagte Pflichtausrüstung variierte zwischen den Distanzen. Wer z.B. über den Gletscher wollte, musste Spikes mitführen. Die Läufe waren in Runden konzipiert, sodass man immer wieder in Mandarfen in der Trail City - also dem Start- und Zielbereich - vorbei kam. Das traf allerdings nicht für mich zu, da ich mich für den P26 entschieden hatte und somit ausrüstungstechnisch noch glimpflich davon kam. Außerdem hätte ich mehr eh nicht geschafft, dazu am Ende noch eine kurze Bemerkung.

Wir starteten also zeitig, die Fahrt sollte unsere Geduld jedoch noch einmal auf die Probe stellen, denn wie gewöhnlich war zwischen Irschenberg und Inntal-Dreieck Stau. Danach 100km/h. IG-L. Bis Innsbruck. Wie immer!! Wir kamen gegen 18:00 Uhr in Mandarfen an, wo ich in der Trail-City recht schnell meinen Laufkollegen Dominik entdeckt hatte. Er war mit seiner Frau da, ich mit meiner ganzen Familie. Er war schon eingecheckt und hatte seine Startnummer, die man nicht ohne den strengen(!!) Equipmentcheck bekommt, ich noch nicht. Also stellte ich mich an und während meiner ca. 45minütigen Wartezeit brachte meine Freundin mir eine leckere Kohlenhydrat-Bombe, bestehend aus Reis und Hühnchen. Sehr lecker, denn während des Events war auch ein Street-Food-Festival... Kein Zufall :) Nachdem mein Equipment den Check überstanden hatte, war auch ich recht schnell eingecheckt.

Wir saßen noch kurz mit Dominik (der sich für den P42 mit dem Rifflsee-Double entschieden hatte) und seiner Frau zusammen und genossen ein bisschen die Athmosphäre, um dann recht schnell unser Quartier ein paar Kilometer weiter unten im Tal zu beziehen. Das stellte sich als vorteilhaft heraus, da es in Mandarfen doch recht laut war.

Am nächsten Morgen gegen 07:00 Uhr brach ich auf, um pünktlich 07:30 Uhr vor Ort zu sein und mir das Race Briefing anhören zu können. Start war für 08:30 Uhr angesetzt. Die P100er waren zu dem Zeitpunkt scon 5 Stunden unterwegs und während wir auf unseren Start warteten, kamen die anderen bereits von Ihrer ersten Runden wieder - gefeiert wie Helden. Pünktlich, 08:30 Uhr fiel der Startschuß für die 1. Welle (da war ich nicht dabei... ). 3 Minuten später die 2. mit mir - schließlich hatte ich mich als Genußläufer deklariert. 

Und genießen konnte ich. In vollen Zügen. Die Landschaft - mein Gott, die Landschaft. Früher hab ich mich immer über meine Mutter gewundert, wenn sie gern Filme von der Alm angeschaut hat - und heute? Mittlerweile guck ich Volksmusiksendungen, um Berglandschaften und Berg-typische Kultur zu sehen. :) (und natürlich Red Bull TV). Aber jetzt hatte ich das Heidi-Panorama live und in voller Pracht.

Während die Läufer also gemütlich mit 5:30er Pace lostrabten, merkte ich, dass meine Beine doch recht schwer waren. Das lag wohl in den wiederholten 30km Läufen aus den letzten Wochen. Jedoch hatte ich versäumt, auch mal nen g'scheiten Uphill zu machen, und so würde ich aus jetziger Sicht einschätzen, war ich eher "untrainiert" gestartet. Egal. Der erste Uphill zu Sunnaalm am Rifflsee war mit seinen 700hm anstrengend aber machbar. Der Weg war mit hohen Stufen gespickt, sodass man hier ein Oberschenkel-Training par Excellence bekam (oder eben gebraucht hätte....).
Oben war der erste VP ca. 1,5h nach dem Start. Ich aß zwei Stückchen Banane und dann ging es auch gleich weiter. Die VPs waren sehr gut ausgestattet mit einer Vielzahl verschiedener Energie- und Mineralienlieferanten. Allerdings - und das war ein entscheidender Unterschied zum P15 - war der nächste VP, das Taschachhaus, ungefähr bei Kilometer 18,5. Das sollte ich noch zu spüren bekommen. Es ging also um den Rifflsee herum und nachdem man noch ein Stück entlang des Rifflbachs gelaufen war, kamen die nächsten moderaten Höhenmeter über den Offenbacher Höhenweg hinauf zum Fuldaer Höhenweg. An dieser Stelle sei gesagt, dass "Laufen" zwar möglich, das Gelände jedoch ein sehr technisches war. Spätestens nach dem Rifflsee war ein "Weg" nicht mehr als ein kleiner Pfad - wenn überhaupt - und es ging standardmäßig über gut markiertes, sehr verblocktes Gelände. Das sollte bis auf die letzten 7km auch so bleiben.
Als ich auf den Fuldaer Höhenweg einbog, der dem gesamten Taschachtal folgte, begannen meine Waden bereits, sich bemerkbar zu machen. Das war nicht gut - viel zu früh. Aber noch "zuckelten" sie nur ein bisschen und ich veränderte meine Lauftechnik, um sie ein wenig zu entlasten. Das half jedoch nur begrenzt, denn die immer wiederkehrenden hohen Stufen taten ihr Übriges zum desolaten Zustand meiner Beine. Und so zog es sich und zog sich. Es wurde wärmer, die Beine wurden schwächer, die Kühe standen direkt auf dem Weg und es zog sich. Unterwegs rannte ich, wenn es ging, ging, wenn es nicht ging und blieb stehen, wenn es gar nicht mehr ging. In diesen Pausen verdrückte ich 2 der 4 Riegel und trank, um den Schaden in den Waden in Grenzen zu halten. Aber irgendwie kam keine Energie in den Beinen an. Schließlich, ca. 1km vom Taschachhaus entfernt, musste man auch noch einen seilversicherten Abschnitt passieren. Klettern mit Krämpfen - Supergau! Und das ganze bei bester Sicht auf den gefühlt meilenweit entfernt liegenden VP. In diesen Momenten spaltet man sich auf - in einen Kopf der denkt und einen Körper der macht. Und weil der Kopf allein nicht zurückkommt, versucht er die Beine zu überreden, ihn, verbunden durch den dazwischenliegenden Körper (der eigentlich noch ganz gut drauf war), wieder zurück zu tragen. Zusätzlich überredete der Kopf die Arme, die Stöcke als Unterstützung für die Beine einzusetzen. Prima Idee. Der Downhill Richtung Taschachhaus lief den Umständen entsprechend gut (Wadenanspannung vermeiden!!), jedoch meldeten sich nun die bereits vermißt geglaubten Adduktoren - zunächst nur seicht. Egal.
"He, Beine, kein Problem - es geht nur noch runter bis zum VP, dann gibs was zu naschen." In der Senke ging es über den Bach, der das Taschachtal geschaffen hat und dann...es gibt keinen Gott! Ein Uphill! Waden, check! (muss doch Energie angekommen sein) Oberschenkel, check! OK, lets go! Letzter Uphill. Bis zu Hälfte, dann gaben die Adduktoren Vollgas - Schmerzen in den Innenseiten der Oberschenkel bis zu den Knien! Waden, doch nicht check. Gaben auch Gas aufgrund nicht mehr durchführbarer Schontechnik. Himmel Hergott Kreuz Kruzifix no amoi!! Dieser verdammte Körper macht was er will, dabei soll er machen was ich will. Also, aufstehen! Geht. Beine überreden, zum VP zu humpeln. Geht auch. Und schließlich, Ankunft im Taschachhaus. Es gibt doch einen Gott....Essen? Fehlanzeige - ging nicht. Also trinken. Schnell viel schnellen Zucker aufnehmen. Ein Blick auf die Uhr: Wie können das erst 20km gewesen sein? Kurzer Plausch mit den Streckenposten - der wollte mich tatsächlich überreden, 10 Liegestütze zu machen, damit er meine Nummer aufschreibt. Ich habe zugestimmt, die Liegestütze doch nicht gemacht und er hat meine Nummer aufgeschrieben.
Als es mir wieder besser ging, bin ich los auf die letzte Etappe. The final Downhill. Zunächst wieder steil und verblockt. Dann immer seichter - schließlich nur noch breiter Versorgungsweg. Der schnelle Zucker wirkt! Ich werde schneller, schaffe schließlich sogar eine Pace, bei der eine 5 vorn dran steht. Wie geht das? Beine, ich kenne Euch nicht aber ihr macht das super! Und schließlich, nachdem noch ein Minianstieg zu einer kleinen Alm auch noch hinter mir liegt und ich endlich die letzten Meter zur Trail-City geschafft hab, laufe ich durchs Ziel. Wie immer, schneide ich in diesem Moment nix mit, kann nix sagen. Plötzlich habe ich die Medaille um den Hals, werde zu der "tollen Leistung" beglückwünscht - das waren doch nur 26km? Ach nein, meine Uhr sagt 28km und nicht 1600hm, wie ausgeschrieben, sondern nur 1200 und ein paar Zerquetschte. Die Zeit 5h:49min. Duchschnittspace - laut Uhr - 11:42min/km. Kurz nach mir kommt Dominik ins Ziel. Nach 7h27min hat er den P42R gerockt. Unglaublich! Wir gratulieren uns, trinken kurz etwas zusammen und gehen dann, so schnell es geht, zu unseren Familien und unter die Dusche. Später am Nachmittag treffen wir uns und "feiern" ein bisschen unseren Tag und uns selbst.
Achja, zum Gletscher...am nächsten Tag haben meine Familie und ich noch ein wenig Zeit im Pitztal verbracht, Wir haben die Gelegenheit genutzt und sind mit dem Gletscherexpress auf den Mittagskogel gefahren. Das sollte man unbedingt tun, wenn man dort ist, denn der Gletscher ist atemberaubend. Aber das Gelände da oben ist noch eine Nummer schwerer. Wir haben ein älteres Paar getroffen. Der Mann hat seiner Frau gezeigt, wo er gestern entlang gelaufen ist. Er war sicher zwischen 50 und 60 Jahre alt. Er meinte, er hätte nur die erste Runde über den Mittagskogel gemacht und sei dabei über 6h unterwegs gewesen, weshalb er die zweite Runde (also die P26-Strecke) dann sein gelassen hat. Er wollte das einfach erleben. In diesem Moment habe ich den P42G auf meine Liste gesetzt. Pitztal, ich komme wieder.