Samstag, 21. September 2019

Gear-Running-Days 2019 Teil 2 - Global Storm


Wo es einen ersten Teil gibt, da muss es auch einen zweiten geben. Und so auch hier. Der zweite Termin meiner "Gear Running Days" lag genau eine Woche nach dem Pitz Alpine Glacier Trail und konnte sich kaum mehr davon unterscheiden, als er es tat. Die Gemeinsamkeit war, die Ausrüstung so optimal wie möglich zu wählen. Diesmal war es noch viel wichtiger, da diese Entscheidungen maximalen Einfluß auf den persönlichen Erfolg oder Mißerfolg des Events hatten. Wer tritt schon gern mit einer allzu großen Mißerfolgsaussicht an?


Bei dem Event handelte es sich um nichts geringeres als eine Spartan H3X. Huch, was soll das denn sein? Nun, im Prinzip sind das 3 Hurricane Heats in einem Event, aber: Sie sind nicht gleich lang! Das Event beginnt mit einer HH4HR. Hat man diese erfolgreich beendet (was für jeden Teilnehmer gilt), dann kann man sich entscheiden in die HH12HR weiter zu gehen. Man hängt also weitere 8h dran. Hat man auch diese erfolgreich beendet (was nun nicht mehr automatisch für jeden Teilnehmer gilt), dann kann man sich entscheiden, in die HH24HR weiter zu gehen. Man hängt nun also noch einmal weitere 12 Stunden dran! Soviel zur Übersicht.

Naja, nicht ganz. Es gibt noch eine weitere Besonderheit. Und zwar findet dieses Event nicht nur an einer Location statt, sondern weltweit an 6 verschiedenen - und zwar exakt zur selben Zeit. Und damit noch nicht genug. Alle 6 Venues treten in einem Wettbewerb gegeneinander an und für das Gewinner-Venue steht 100% fest, dass es im folgenden Jahr wieder am H3X teilnehmen wird. Um das zu erreichen, müssen verschiedene Challenges, die Teil der H3X sind, mit der höchsten Punktzahl erfüllt werden, d.h. Übungen am längsten, in der kürzesten Zeit oder die meisten Wiederholungen in einer gewissen Zeit absolviert werden.

Als Teilnehmer muss man sich bereits bei der Registrierung für eine Länge entscheiden. Will man als Finisher aus dem Event gehen, dann muss man mindestens die angepeilte Länge schaffen. Wenn man sich also z.B. für eine HH12HR entscheidet und man sagt dann im Event bereits nach der HH4HR, daß nichts mehr geht, bekommt man vom Krypteia einen warmen Händedruck und ein freundliches "Goodbye"! Andersherum, hat man sich im Vorfeld für eine HH12HR entschieden und will während des Events dann die HH24HR machen, sollte man tunlichst zusehen, daß man diese auch schafft, sonst Händedruck, "Goodbye" - that's it. Was heißt das alles? Nun, das heißt einfach, daß man wissen sollte, was man kann und daß man sich gut überlegen sollte, wie weit man zu gehen bereit ist. Und die Entscheidung, die man trifft, die zählt dann auch.

Nachdem ich dieses Jahr überraschenderweise bereits 2 HH4HR in meinen Plan aufgenommen hatte, war meine Idee für die H3X, eine HH12HR zu versuchen. Als bekannt wurde, daß die H3X stattfindet, waren alle Sturmbrüder und -schwestern aus unserer Whatsapp-Gruppe sofort Feuer und Flamme und meldeten sich an. Ooops. Dann mußte ich auch :) Allerdings ohne einen genauen Blick auf das Datum zu werfen. Auf diese Idee kam ich erst hinterher und stellt fest, daß sie direkt eine Woche nach dem PAGT lag und auch gutes Konfliktpotential mit unserem Familienurlaub aufwies. Für letzteres stellte sich heraus, dass der Termin doch paßte, obwohl es ziemlich unglücklich war, daß er genau eine Woche vor dem Urlaub lag. Aber das ließ sich noch organisieren.

Man sieht also, das ist alles mit einem ziemlichen strategischen Planungsaufwand verbunden. Aber es blieb nicht die einzige Planungsherausforderung.  Mein Wettkampfjahr ging mir immer wieder durch den Kopf. Das bereits 2018 definierte Ziel hatte ich ja noch nicht erreicht und jetzt kamen auch noch diese genialen HH-Events dazu...Irgendwann dachte ich mir, daß es - wenn alle Vorzeichen gut ständen - vielleicht unter Umständen möglich wäre, eine Hurricane Heat Trifecta zu machen. Ich rechnete mir aus, daß ich die kompletten 24 Stunden dafür bei der H3X schaffen müßte. Dann hätte ich ein paar Wochen später im September noch die fehlende HH12HR machen können und alles wäre perfekt gewesen. Allerdings wäre diese dann in Lipno und auch wieder genau eine Woche neben einem anderen Event - dem geplanten Highlight des Jahres - gelegen. Es war zum Mäusemelken. Diese Entscheidung sollte schließlich bis genau zu dem Zeitpunkt an mir nagen, an dem sie unwiderruflich getroffen werden mußte - nämlich am Ende der HH12HR bei der H3X.

Die nächste Station vor der H3X war das Gearlist Video. Von den Leuten in der Whatsapp-Gruppe wußte ich schon, daß ein Zusatzgewicht von 20kg in den Rucksack mußte. Und ich hoffte inständig, daß das diesmal nicht der Fall sein würde. Aber weit gefehlt. Das Gewicht kam. Der Rest der Extra-Items war recht überschaubar. Tennisbälle, Chemlights, 2 Holzklötze und ... 3 Sandsäcke! Stefan erklärte sich bereit, welche für die ganze Gruppe zu bestellen und so verschwanden sie bis zum Event aus meinem Fokus.

Stattdessen konzentrierte ich mich auf das Zusatzgewicht. Ich hatte mir mittlerweile einen größeren Rucksack zugelegt - dachte ich - und da sollten 20kg ja wohl reingehen. Allerdings hatte er nur einen behelfsmäßigen Hüftgurt und das war gar nicht gut. Also was sollte ich nehmen, um ihn zu beschweren? Steine sind kantig und machen den Rucksack kaputt. Metall hatte ich versucht, das war sehr teuer gewesen. Wahrscheinlich habe ich da einfach ein zu teures Material genommen. Also entschied ich mich für Sand. Im Baumarkt fand ich dann auch tatsächlich einen Sack mit 20kg Rasensand. Genau das Richtige. Den kaufte ich zusammen mit den Holzklötzen und war happy. Er ging gerade so in den Rucksack rein. Aber nachdem ich ihn den ca. 10min langen Weg nach Hause getragen hatte, sind mir fast die Schultern abgefallen! Durch den behelfsmäßigen Hüftgurt gab es praktisch keine Unterstützung und das Gewicht zerrte an meinen Schultern wie verrückt. Damit 12 Stunden rumlaufen war ausgeschlossen!

Ich hatte jetzt ein Problem: Es waren nur noch 2 Wochen bis zum Event. Eine Woche vorher war der Berglauf. Außerdem hatte ich anderweitig auch gerade einiges zu tun, sodaß die Vorbereitungszeit minimal war. Mit Max aus der Gruppe philosophierte ich über Rucksäcke und schließlich fiel bei mir dann irgendwann die Entscheidung, dass ich nun doch noch einen anderen Rucksack brauchte. Auch Nadia meinte, ich solle nach etwas Ausschau halten, das ein verstellbares Tragesystem hat. Leider sind solche Rucksäcke nicht gerade die billigsten und hier war für mich wirklich der erste Punkt, an dem ich die Teilnahme für mich schon fast in Frage gestellt hatte, denn ich hasse Materialschlachten.

Sport muss einfach sein! HHs sind nicht einfach, aber sie sind cool. Und deshalb biß ich in den sauren Apfel und kaufte doch den neuen Rucksack (Er muss nach seiner HH-Karriere definitiv auch noch für anderes herhalten, z.B. für Urlaubsreisen). Im Nachhinein bin ich aber ganz froh, denn ich konnte ihn bereits einmal für unseren diesjährigen Urlaub nutzen und da hat er sich super geschlagen. Trotzdem: das war das mit Abstand teuerste Event und ich hätte nie gedacht, dass ich soviel Geld dafür ausgeben würde. Aber ich hoffe, daß dies nicht noch einmal in der Form passiert.

Zurück zum Gewicht: Wir tauschten uns in der HH Gruppe aus und Harald meinte, dass Sand keine gute Idee sei, da er sein Gewicht verdoppelt, wenn er nass wird. Natürlich war der Sand noch in seiner Tüte und ich beabsichtigte auch nicht, ihn da raus zu nehmen, aber bei HHs geht es immer ein bisschen ruppig zu und man kann nicht ausschließen, dass der Sandsack nicht doch was abkriegt. Alle erklärten, sie hätten eine tolle Lösung mit Hantelscheiben und entsprechenden Trägern usw. Hatte ich nicht. Da kam mir mein Trotz zu Hilfe, der sagte: Mach deine eigene Erfahrung! Harald hat Recht, da muss ich etwas unternehmen, aber ich fange jetzt nicht so kurz vor dem Event an, mir auch noch so eine Metallplattenlösung zu basteln. Also kaufte ich eine Rolle PE-Stretchfolie. Das ist das Zeug, in das Koffer und Rucksäcke für eine Reise verpackt werden, um sie zu schützen. Als sie ankam, begann ich gleich, meinen Sandsack darin einzuwickeln und siehe da, er änderte seine labberige weiche Form in eine schöne feste und kompakte, die auch noch dafür sorgte, dass ich ihn gut in dem Rucksack packen konnte. Passte super! Um zu verhindern, dass er im Rucksack hin und her rutscht, befestigte ich ihn zusätzlich mit den Waffenhalter-Klettbändern (ja, sowas hat mein toller neuer Rucksack :)) und er saß bombenfest! Im unteren Teil des Rucksacks!


Dann kam der Tag der H3X. Meine Unterkunft war ein paar Kilometer davon entfernt in einem kleinen Ort namens Puchberg am Schneeberg gelegen. Das ist wohl eine beliebte Wandergegend für ältere Leute, denn ich hatte mir so ein richtiges Krampfaderhotel ausgesucht - Wellness Wanderhotel Wanzenböck! Der Name war Programm. Aber ich wollte da eh nicht so viel Zeit verbringern. Ich war mir ja immer noch unsicher, ob ich 12 oder 24 Stunden im Event blieb und so klärte ich zunächst einmal ab, ob ich nicht spontan vielleicht doch noch ein paar Stunden länger im Zimmer bleiben konnte - zum Pennen. Das Hotelpersonal war recht flexibel und so wäre das kein Problem gewesen. Mit Jakob aus der Gruppe vereinbarte ich, dass wir zusammen von Puchberg zum Venue nach Stixenstein fuhren. Er war auch in Puchberg untergebracht, jedoch in einem anderen Hotel.

Wir trafen uns am Vorabend, suchten uns in Puchberg ein nettes kleines Lokal und aßen Abendbrot. Während wir auf unser Essen warteten, las er, was die anderen in der Whatsapp-Gruppe zum Thema "Sandsäcke" schrieben. Er sagte nur "Oh Oh!". Scheinbar war eine größere Suchaktion im Gange...Wenn wir keine Sandsäcke hätten, wären wir aus dem Event raus gewesen. Alle, einfach so! Anreise, restliche Orga, alles für die Katz. Aber die Säcke fanden sich doch noch an und so fiel uns ein riesiger Stein vom Herzen. Es konnte losgehen.

Und das tat es! Nachdem wir nach dem Abendessen noch ein bißchen vorgeschlafen hatten, trafen wir uns um 0:00 Uhr, um zusammen zum Venue zu fahren. Da es immer noch unsicher war, ob ich 12 oder 24 Stunden durchhalte, ging ich auf Nummer sicher und entschied, doch mit meinem eigenen Auto hin zu fahren. Wir waren zwischen 0 und ein 1 Uhr da. Der Start des Events war für 2 Uhr in der Früh angesetzt. Im Vergleich zu sonst bei 4 Stunden Hurrican Heats waren diesmal einige Teilnehmer mehr anwesend. Wir waren so um die 150 Leute. Ich freute mich, alle Bekannte aus der Hurricane Heat Whatsapp Gruppe wiederzusehen, suchte mir einen Platz für meine Verpflegung und wartete dann auf den Beginn. Auch die Sache mit den Sandsäcken regelte sich schnell.

Nachdem alle Teilnehmer registriert waren, wurde als erstes aufgeklärt, wozu die 3 Sandsäcke gut waren:
  1. Ineinander stecken (damit sie schön haltbar sind)
  2. Auffüllen mit weiteren 20kg Kies
  3. Anmalen
Außerdem durften wir uns mit den Sharpies alle unsere Startnummer gegenseitig ins Gesicht schreiben. Ich war Nummer 75. Dann begann die HH4HR. Diese war nich so anders als die anderen, die ich bisher mitgemacht habe. Es war Nacht. Viele Lampen waren an. Ich habe mit Dunkelheit kein Problem.


Die Hurricane Heat bestand hauptsächlich aus teamorientierten Aufgaben, die gemeinsam in der Gruppe geschafft werden mussten. Da gab es zum Beispiel das Hungry Hippo Spiel. Hier waren 4 Teilnehmer die Beine des Hippos und der 5. der Kopf (der von den anderen 4 getragen wurde). Es gab mehrere Teams. Die Challenge bestand darin, von einem zentralen Haufen Tennisbälle so viele wie möglich in die eigene Ecke zu bringen - hungry for tennis balls...Danach hieß es wieder für jeden seine 3 Tennisbälle einsammeln und dann in 4 Reihen aufstellen. Gerd, unser Lead-Krypteia stellte sich vorn hin und sagte: "Wenn es heißt, daß jeder seine 3 Tennisbälle wieder einsammeln soll, wieso ist dann hier noch ein Tennisball übrig?" Keiner meldet sich!


Es folgte eine der genialsten Aktionen, die ich bisher erlebt hatte...ein "Blind-folded Gear Check". Dabei muss sich jeder Teilnehmer mit dem mitgebrachten Buff die Augen verbinden. Dann werden von den Krypteias Teile des Gears angesagt und die Teilnehmer dürfen sie mit verbundenen Augen aus ihrem Rucksack herausholen und hochhalten. Dann wird kontrolliert. Natürlich durften die 3 Tennisbälle nicht fehlen und so kam schnell ans Licht, wem der Ball fehlte...mehr sei hier nicht verraten.


Auch für das Herstellen der Teamfähigkeit gab es ein echtes Schmankerl. Das Geniale an Hurricane Heats ist, dass man lernt, auf welche grundlegende Mechanismen und Bedingungen man angewiesen ist, über die man aber trotzdem nie nachdenkt, weil man sie stets für gegeben hinnimmt. Wie sehr man darauf angewiesen ist, merkt man erst, wenn sie einem weggenommen werden.

Eine dieser Bedingungen ist Bodenkontakt. Mittlerweile bin ich der Meinung, dass es fast nichts besseres gibt, als das Gefühl, direkt auf der Erde zu stehen und zu sein. Aber wenn man plötzlich in der Nacht mit festem Schuhwerk auf zwei hastig an den Füßen befestigten dicken Holzklötzen auf unebenen Terain steht, dann hat man den Kontakt zum Untergrund verloren. Normalerweise gleicht man dann mit Hilfe des Sehsinns aus, sofern man keinen Buff vor den Augen hat. Und hier kommt der Teamaspekt ins Spiel. So viel sei gesagt: Krypteias haben ein fantastisches Repertoir an Aufgaben, die es nicht erlauben, mal eben abzuschalten. Für mich ist das der beste Aspekt an einer Hurricane Heat.


Mit solchen und anderen Aufgaben vergingen die ersten 4 Stunden wie im Fluge. Ohne Frage: Das fordert jeden, der daran teilnimmt, aber es ist machbar - und macht riesigen Spaß. Einfach ein tolles Erlebnis. Es war nun der Zeitpunkt gekommen, daß die 4-Stunden-Teilnehmer ihr Dogtag und ihr Shirt bekamen. Leider ist Veit an dieser Stelle schon augestiegen. Aber der Mann ist erfahren und konnte sich gut einschätzen und hat - wie es sich für einen guten Sportler gehört - auf seinen Körper gehört. Auch das gehört dazu. Für diejenigen, die sich für die HH4HR angemeldet hatten und die sich nun entschlossen, in die Reihen der HH12HR-Teilnehmer aufzurücken, war es ein glorreicher Moment. Man versteht nicht, was das bedeutet, wenn man nicht dabei war. Es folgte eine kleine Pause, in der man sein Krönchen richten konnte, dann standen die 12- und die 24-Stunden-Teilnehmer als Gruppe zusammen. Die Aufwärmrunde war vorbei und es wurde ernst.

High Plank mit 25kg auf dem Rücken
Solve the human knod
Jetzt begann der Teil, bei dem die individuelle Leistungsfähigkeit abgefragt wird. Sofern man die HH4HR "auf dem Rücken" seiner Kameraden absolviert hatte, so wurde dies nun unmöglich, denn man wurde als Individuum bewertet. Das war ein schwieriger Zwiespalt. Es galt, die Balance zwischen der eigenen Leistungserbringung und der Teamorientierung zu finden. Ich will mich nicht rausreden - das hätte ich besser hinkriegen können. Ich hatte mir das auch anders vorgestellt. Wieso, dazu komme ich noch. 

Zunächst wurde uns von unserem Krypteia erklärt, dass der Bewertungsmodus sich gegenüber früheren HH12HR und HH24HR geändert hatte. Wurde man früher nach sogenannten Time Hacks sofort ausgeschlossen, wenn man sie nicht geschafft hatte, so war dies nun nicht mehr der Fall. Diesmal gab es nach jedem Time Hack einen Punch in ein Armband. Es galt eine gewisse Menge von Punches zu sammeln, um die HH12HR zu bestehen. Wie viele das sein mussten, wurde uns nicht gesagt. Man wußte also die gesamten weiteren 8 Stunden nicht, ob man die HH12HR besteht oder nicht und war somit immer motiviert, seine gesamte Energie in die Erfüllung der Aufgaben zu stecken. Das waren sicher Psychologen, die sich das ausgedacht hatten ;)

Die Aufgaben, die es zu erledigen galt, wurden alle durch Gewicht erschwert. Das ist der Mindfuck! Und das ist auch der Grund, weshalb man trainieren sollte, mit Gewicht unterwegs zu sein. Lange! Tut man das nicht, dann hat man entweder viel Kraft oder eine gute Eigenmotivation oder noch besser beides. Außerdem fehlt bei jeder Aufgabe eine Information, die es einem erlaubt, sie im Vorhinein abzuschätzen. Expect the unexpected! Ein geniales Konzept.

Task 1: Laufe bis zum Checkpoint innerhalb einer bestimmten Zeit (Time Hack), hole einen Punch und kehre zum Startpunkt zurück (innerhalb eines zweiten Zeitlimits)! Mit Rucksack - wir erinnern uns: der hat für Männer mindesten 25 Kilo und für Frauen lag er bei ungefähr 20kg. Ich bekam einen ersten Eindruck davon, was die Auswirkungen meiner Entscheidungen bei der Gewichtsauswahl waren. Wie gesagt, war der Sandsack gut im unteren Teil des Rucksacks befestigt. Und deshalb rieb er am unteren Rücken! Direkt auf dem Steiß. Die Folge war, dass ich ihn immer wieder anlupfte, bequemer rückte, das Shirt richtete usw. Unangenehm! Aber die Zeitlimits waren zum Glück kein Problem. Task 1 bestanden!
Back after a little trail running....
Wir hatten nun ein bisschen Pause, in der man gut regenerieren und die Energiespeicher wieder auffüllen konnte. Während der ganzen 12 Stunden habe ich immer mal wieder mit Max gequatscht und die Tasks analysiert. Ich war ziemlich erstaunt, dass er beim ersten losgeprescht war wie eine V2. Allerdings hatte ich ihn dann auf dem Rückweg wieder eingesammelt. Es gab Wasser und Bananen vom Veranstalter (was ich immer noch genial finde!!). Dazu nen Riegel oder Würstchen und Breze. Und so konnte es dann weitergehen.

Analyse
Task 2: Rund around the pole. Es ging darum, mit dem Sandsack (genau, dem aus 3 ineinander gesteckten Sandsäcken bestehenden und mit 20kg Kies aufgefüllten Sandsack!) in einer gewissen Zeit eine gewisse Runde eine gewisse Anzahl Mal zu absolvieren. Ich darf mal (mit entsprechender Unschärfe) zitieren: "Wir haben da im Wald eine kleine Runde für Euch vorbereitet. Es geht so ein bisschen in den Wald rein und den Hügel rauf und dann wieder runter. Und dann kommt ihr zurück." Ok, "vorbereitet" hieß: es gab hier und da in dem Wald an dem Hügel Spartan-Trassierbänder. Die waren gut sichtbar und deshalb war es auch kein Problem, dass wir uns von einem zum anderen durch das anfangs weglose(!) Unterholz arbeiteten - und so Runde für Runde den Weg erst schufen. Jedes Mal, wenn wir bei unserem Krypteia vorbeikamen, sollten wir deutlich unsere Rundenanzahl sagen, einen Burpee machen und dann weiterlaufen. Bis wir die gewisse Anzahl Runden erfolgreich absolviert hatten...oder bis wir ein paar Runden mehr als die gewissen gelaufen waren und uns so einen Extra-Punch verdient hatten...oder bis wir noch ein paar mehr Runden gelaufen waren, wobei all die Runden, die jenseits der höheren Anzahl für den Extra-Punch lagen, für andere Teilnehmer gezählt werden konnten.

Hier kommt Beichte, Teil 1: Als ich die "gewisse" Anzahl Runden vernahm und die Bedingungen, unter denen sie zu absolvieren waren, dachte ich: "Oh my fucking god! Ich bin froh, wenn ich die schaffe." Ich habe keinen Gedanken auch nur ansatzweise an die höhere Anzahl geschweige denn an die Runden, die für andere Teilnehmer gezählt hätten, verschwendet. In dem Moment, als der Task beschrieben wurde, begann bei mir die Abschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit - und zwar insbesondere unter der Bedingung, daß wir uns gerade mitten im Event befanden und ich nicht wußte, was noch kommt. Also entschied ich mich für das Minimum. Es sollte sich herausstellen, dass das unter strategischen Gesichtspunkten die richtige Entscheidung war. Aber in Bezug auf den Teamaspekt war das nicht ok. Jakob hatte am Vorabend beim Abendbrot bereits erzählt, dass es Situationen gibt, in denen der Egoismus siegt und ich hab innerlich eigentlich nicht wahrhaben wollen, daß das passiert. Aber die Erfahrung hat gezeigt, daß es so war. Als ich meine Runden erledigt hatte, war wieder eine kleine Pause - ich hätte also noch Zeit für weitere Runden gehabt! Aber ich habe mich entschieden, wieder die Batterie aufzufüllen und dem nächsten Task entgegen zu blicken. Und das war auch bitter nötig.

Stefan kommt gerade aus dem Wald
Task 3: Berglauf! Time to get real! Natürlich war es nicht nur ein Berglauf. Hatten wir bei Task 1 den Rucksack und bei Task 2 den Sandsack, so durften wir nun mit beidem spielen. 45kg! Das Zeitlimit lag bei 3 Stunden. Der Tag bewegte sich auf Mittag zu und die Sonne begann zu brennen. Das "versüßte" uns die Sache noch ein wenig. Es ging los mit Crabwalk. 15 Minuten lang, der schnellste legte die Distanz fest, die alle anderen auch absolvieren mußten (was dann natürlich länger dauerte). Es war die Hölle. Meine Beine begannen zu verkrampfen. Mist, Schohnhaltung einnehmen, langsam machen. Kraft einteilen - schwierig. wenn es um Kraftausdauer geht. Hab ich schon erwähnt, dass ich keine Kraft habe? Genau das Richtige für ein Event wie dieses... Max fightete wie ein Berserker. Es war erstaunlich: wenn er einen kurzzeitigen Wutanfall bekam, setzte er Energien frei, die mir die Kinnlade runterfallen ließen. Irgendwann scherte er aus der Gruppe aus und lag am Wegrand. Es ging Ihm nicht gut. Aber wie nicht-gut, das erfuhr ich erst später. Er wollte aufhören. Ich hab ihn solange bearbeitet, bis er seinen Rucksack wieder auf dem Rücken hatte und den Sandsack auf dem Bauch und weitermachte. Er war vor mir am Crabwalk-Ziel! Veiti und Nadia gingen zwischen den "Crabs" hin und her und feuerten jeden an. Veit meinte zu mir "Los Lars, Du schaffst das!". Ich sagte: "Ich weiß.", war mir aber alles andere als sicher.

Crabwalk - it kills!
Dann hieß es Sandsack ablegen und mit Rucksack den Weg entlang. Alles was wir wussten, war, daß wir den Markierungen folgen sollten, bis wir zu einem Checkpoint kamen, wo eine Aufgabe auf uns wartete. Also lief ich los - den Weg entlang. Ich war sehr weit hinten, weil der Crabwalk mit Gewicht extrem anstrengend und kraftraubend gewesen war. Aber auf dem Weg wurde es besser. Gehen, Laufen. Das konnten meine Beine, hatte ich doch eine Woche vorher den Pitz Alpine P54G geschafft. Ich lief und lief und lief. Unterwegs begann ich bereits, einige der anderen wieder einzusammeln. Ich ging ein Stück mit Sonja und wir sprachen uns gegenseitig Mut zu. Dann ließ sie mich ziehen. Später schloß ich wieder zu Max auf, der sehr viel weiter vor mir war, als ich angenommen hatte. Wir gingen ein Stück zusammen und wunderten uns. Markierung? Fehlanzeige. Irgendwann wurde meine innere Unruhe zu stark. Das verdammte Timelimit für den Checkpoint rückte näher. Ich hörte auf, Pausen zu machen. Also ging ich weiter, wischte die Zweifel weg, ob ich noch richtig war. Schließlich konnte man bisher gar nicht falsch abgebogen sein. Dann sah ich ihn, den Wegweiser - am Rand des Weges, der sich inzwischen in einen schottrigen Bergwirtschaftsweg verwandelt hatte. Und die Sonne brannte unerbittlich! Und es ging schon eine gefühlte Ewigkeit bergauf! Ich passierte Jakob und Sabine. Alle waren vor mir aus dem Crabwalk gekommen. Wieder ein Wegweiser. Eine Kreuzung, die ich mir gut ansah, um zu sehen, wo ich herkam und wo ich hinging. Dann kamen die ersten Kameraden entgegen, die bereits am Checkpoint gewesen waren. Es war nicht mehr weit und die letzten paar hundert Meter vergingen sehr schnell.

Am Checkpoint bekamen wir einen Zettel mit einem Vers und uns wurde erklärt, dass wir diesen nun auswendig lernen sollten. Zuerst war ich entsetzt, oder besser: geschockt. Was? Ich soll ein Gedicht lernen? Aber dann fand ich es plötzlich genial. Ich stand da in der brütenden Mittagssonne, schwitzte aus allen nur erdenklichen Poren und soll ein Gedicht lernen. Was für eine abgefahrene Situation!

Also schaute ich auf die Zeilen (es waren 4) und begann den Text zu lernen. Ich kann ihn immer noch:
No one is born a warrior. You choose to be one when you refuse
to stay seated. You choose to be one when you refuse to back
down. You choose to be one when you stand up after being
knocked down. You choose to be one because if not you, who?

Mit der Zeit erkannte ich die Melodie (Ich weiß nicht, ob es wirklich ein Lied mit diesem Text gibt). Aber er hatte Rythmus. Dann war es ganz leicht! Als ich mir sicher war, dass ich ihn konnte, ging ich zu Gabriele (Smiley), die auch Krypteia bei unserem Venue war, und sagt: "Ok, hear my song!". Und gab den Spruch beim ersten Mal fehlerfrei wider. Sie sagte: "That's the right way to memorize." und lächelte. Ich bekam zwei Punches, einen für das Einhalten des Zeitlimits und einen für den Vers. Dann ging ich zurück zu meinem Rucksack, hiefte ihn auf meinen Rücken und begann den Rückweg.

Learning time....
Singing time...
Auf dem Weg nach unten gab ich so vielen Kameraden wie möglich einen Hinweis, wie weit es noch ungefähr war, um sie zu motivieren. Aber die Zeit schritt gnadenlos voran. Es war praktisch unmöglich, dass sie es noch rechtzeitig nach oben schafften. Für mich ging es bergab. Ich nutzte das aus und begann stellenweise zu joggen. Und immer wieder mußte ich den Rucksack zurechtrücken, anheben oder _irgendwie_ anders tragen, damit er nicht an meinem Rücken scheuert. Hatte ich oben schon viel Zeit durch das schnelle Lernen gutgemacht, so überholte ich nun auch wieder einige der anderen Teilnehmer. Als ich an Christina vorbei kam, fragte sie: "Und, geht's dir gut?". Ich sagte nur "Nein." und lachte. Ich war platt, aber die Beine funktionierten. Team "Lars und sein Körper" rockt eine HH12HR. Also ging ich weiter. Es lief.

Als ich zurück beim Sandsack-Ablageplatz war, hieß es wieder Sandsack aufnehmen und Crabwalk zurück. Allerdings nur die halbe Strecke. Dort stand Marco mit der Krypteia-Fahne. Hatte er grad eben noch gesagt, dass ich noch 2 Minuten hatte, um bei ihm im Zeitlimit anzukommen? Ich gab Gas und schaffte es. Dann mußte ich den Vers erneut aufsagen. Ich konnte ihn noch - wieder zwei Punches! Ich hatte es geschafft. Time to relax! Plötzlich meinte Marco, dass noch eine halbe Stunde Zeit war bis zum Zeitlimit. Mir fiel erneut die Kinnlade runter! Ich hatte es geschafft, war am Ende meiner Kräfte und trotzdem war immer noch eine halbe Stunde Zeit? Dann setzte die Erleichterung ein.

Ich schleppte mich zum "Rest Area" und war einfach nur mal ne Weile lang platt, trank etwas, aß eine Banane und ging auch mal in den kleinen Bach, der am Venue vorbeifloß, um meine Füße zu kühlen. Allen, die bereits angekommen waren, stand die Anstrengung und Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Mir wurde langsam klar, dass dies der letzte Task der HH12HR gewesen war, denn die 12 Stunden neigten sich langsam dem Ende entgegen. Wir warteten, bis alle Teilnehmer wieder auf dem Gelände waren und auch für sie gab es genügend Zeit, um sich zu regenerieren. Unsere letzte und wichtigste Aufgabe war das "Abliefern" unserer Punches. Veiti übernahm die Registrierung. Er war nach seiner HH4HR zusammen mit Nadja praktisch zum HH Volunteer geworden und unterstützte Gerd und Marco.

Veiti's Badepardies :)
Es kam der Moment, an dem wir alle wieder als Gruppe Aufstellung nahmen und als verkündet wurde, wer die HH12HR geschafft hatte. Und wichtiger noch: der Moment in dem ich mich entscheiden mußte. Die Auswirkungen waren klar: Mache ich weiter, muss ich im September nach Lipno. Tue ich es nicht, war mein Hurricane Heat Jahr beendet. Ich hatte immer noch das Gefühl präsent, wie der Rucksack auf dem Rücken scheuert. Ich stellte mir vor, wie ich den Rucksack noch 12 Stunden tragen muss und wie sich mein Rücken dann anfühlt. In dem Moment wußte ich, wie ich mich entscheide. Wibke hatte gesagt, ich soll auf mein Bauchgefühl hören und das war der beste Rat, den ich hätte bekommen können. Für mich war die Reise nach der HH12HR zu Ende. Thomas hatte irgendwann vor dem Event ein Bild auf Facebook gepostet, auf dem stand "Alles kommt im richtigen Moment zu Dir." Das stimmt, wenn man Geduld hat.

HH12HR Finisher
Dann gab Gerd bekannt, wieviele Punches man hätte maximal erreichen können - es waren 10 - und wie viele mindestens erreicht werden mußten, um die HH12HR erfolgreich gefinisht zu haben und in die HH24HR aufzurücken. Das waren 8. Ich hatte sie geschafft - Finisher! Ziel angepeilt und durchgezogen. Max erfuhr, dass er sie nicht geschafft hatte - obwohl er sich heldenhaft durch die Tasks gekämpft hatte. Wie konnte das sein? Er erzählte, daß es ihm zu schwer gefallen war, den Vers auswendig zu lernen. Also hatte er diesen Punch nicht bekommen. Außerdem erzählte er, daß sein Körper gestreikt hatte, noch einmal in den Crabwalk zu gehen, nachdem er zurück bei seinem Sandsack war. Wieder kein Punch! Es war niederschmetternd! Ich konnte mich gar nicht so richtig über mein Dogtag freuen.


Später am Abend, nachdem ich im Hotel gewesen war und erst einmal ausgiebig geduscht hatte, suchten wir uns ein Lokal zum Abendessen - was nicht einfach gewesen war :) Natürlich haben wir die H3X analysiert und Max meinte, er nimmt es sportlich und wird es wieder versuchen. Aber ich - und das könnte man als Beichte Teil 2 sehen - dachte und denke, dass ich Ihm vielleicht doch noch zu einem Punch mehr hätte verhelfen können. Hätte ich nicht in der "Rest Area" gewartet, sondern wäre zurück zum Sandsack-Ablageplatz gegangen und hätte ihn angefeuert. Dann hätte er vielleicht den letzten Crabwalk geschafft...

Das ist vielleicht die wirklich letzte Challenge der H3X - zu merken, daß es schwer ist, den eigenen Film zu unterbrechen und mehr auf seine Kameraden zu schauen. Mal schauen, wie es beim nächsten Mal läuft...


Oh, da fällt mir noch was richtig Geiles zum Schluß ein: UNSER VENUE HAT DIE H3X GEWONNEN!!


Donnerstag, 5. September 2019

Gear-Running-Days 2019 Teil 1 - Höhenrausch


So, da sitze ich nun und versuche, die ersten beiden Wochenenden des Monats August auch nur ansatzweise zu verarbeiten. Und das ist wirklich ein ganzer Haufen. Ich weiß auch gar nicht, wie es soweit kommen konnte, daß plötzlich so eine geballte Ladung Erlebnis über mich hereinbricht. Aber gut. Irgendwie kam während der Planung - falls man es so nennen kann - eins zum anderen und dann standen die Termine plötzlich im Kalender.

Termin Nummer eins war am 02.08. im Pitztal. Den Pitz Alpine Glacier Trail hatte ich schon letztes Jahr gemacht und mich stehenden Fußes - oder besser gesagt krampfender Wade - in die Landschaft verliebt. Und da ich nicht über den Gletscher gelaufen war, hatte ich hier noch etwas zu erledigen. Genau wie damals war ich erstens spät dran, die Unterkunft zu buchen, und habe zweitens meine Mädels gleich wieder mit eingepackt, damit sie auch mal ein bisschen Bergluft zu schnuppern bekommen.

In diesem Sommer nun wollte ich über den Gletscher. Die Minimalvariante dafür war der P45G - der CompressSport Glacier Marathon. Damit ich mich ein bisschen unter Druck setze, hatte ich mich schon vor einigen Monaten dafür angemeldet und mir fest (!!) vorgenommen, diesmal für den Lauf zu trainieren. Das heißt, bevor ich dorthin fahre, wollte ich "einige" Bergläufe gemacht haben. Guess what :) Ich glaube, es war einer - im März, 30km mit 700hm. Das war alles. Ansonsten wieder nur "normale" Läufe. Und so stieg die Unsicherheit je näher der Tag des #pagt19 kam. Aber nachdem ich letztes Jahr gemerkt hatte, daß mein Körper Dinge kann, die ich selbst nicht für möglich hielt, bestand eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß es auch dieses Jahr wieder klappt.

Ich stelle fest, daß es mir mittlerweile nicht mehr wirklich etwas ausmacht, wenn ein Lauf 40km oder mehr Distanz beinhaltet. Ich fange an, mir mehr Gedanken um das Drumherum zu machen: Wie weit sind die VPs voneinander entfernt? Wie ist das Gelände? Wetter? Hindernisse? Und solche Sachen...aber Distanz? Hat sich deutlich nach hinten verschoben. Damit könnte ich mich eigentlich gemütlich zurücklehnen und sagen: "Ich habe mein Ziel erreicht." Vor drei Jahren, als ich das erste Mal einen "echten" Marathon gelaufen bin - blöderweise in Frankfurt auf Teer (als Gegenleistung dafür, daß Dominik den ZUT Basetrail mit mir zusammen bestritten hatte) - da hatte ich mir vorgenommen, daß ich die Marathondistanz zu "meiner" machen will. Ich wollte mich soweit entwickeln, daß ich das einfach kann. Naja, "einfach" kann ich das natürlich immer noch nicht (ganz zu schweigen von schnell), aber es entlockt mir kein Erfurchtsstaunen mehr, wenn jemand sagt, er hat nen Marathon gemacht. Und es jagt mir auch keinen Schreck mehr ein, wenn ich mir das selbst vornehme....Kurzer Ausflug in die Vergangenheit beendet.

Also P45G, worum gehts? Beim PACT gibt es zwei Marathondistanzen. Eine führt um den Rifflsee herum die Taschachtalrunde entlang und dann ein zweites Mal hinauf zum Rifflsee (P45R). Und die andere verläuft erst hinauf auf den Mittagskogel mit 3070m, über den Pitztal-Gletscher und via Braunschweiger Hütte zurück nach Mandarfen, um den Läufer anschließend hoch zum Rifflsee zu führen und dann die Taschachtalrunde anzuschließen (P45G). Das war mein Programm.

Allerdings muss man dazusagen, daß die G-Variante deutlich höher ist als die R-Variante und auch die Trails erreichen ein deutlich techniklastigeres Level. Hinzukommt, daß man eine gewisse Zeit am Bergrücken entlang läuft, wo das Risiko von plötzlichen Wetterumschwüngen erwischt zu werden, sehr hoch ist - schlicht, weil es in jede Richtung einfach viel zu weit ist, um schnell genug irgendeinen Schutz zu finden.

Wir kamen also am 02.08. zu einer guten Zeit im Pitztal an, sodaß ich mich gleich zur Registrierung begeben konnte. Meine Mädels hatten keine Lust auf die Rumsteherei und kümmerten sich stattdessen lieber um den Check-In im Hotel. Leider hat es auch diesmal wieder recht lange gedauert, bis ich bei der Registrierung - inklusive vollständigem Ausrüstungscheck - durch war. Diese Überprüfung ist sehr wichtig und wird von den Veranstaltern sehr ernst genommen, allerdings führt das auch zu langen Wartezeiten.


Als das erledigt war, besorgten wir uns etwas zu essen, was dank des parallel stattfindenden Streetfood Festivals kein Problem war. Kaum hatten wir das Essen in der Hand und orientierten uns zurück zum Auto, fiel mir ein, daß ja noch das Race Briefing stattfinden sollte. Das wollte ich unbedingt noch anschauen. Für den Track ansich hätte ich das nicht gebraucht, aber es gab auch aktuelle Informationen zum Zustand der Strecke. Und die sind auf jeden Fall interessant. Als es zu Ende war, war mein Essen - Chilly Cheese Fries (ohne Cheese) - kalt. Besteck hatte ich auch nicht - Fingerfood. Ging schon. Gegen 8 am Abend bezogen wir unser Quartier - eine kleine Ferienwohnung, die auch vom Hotel vermietet wurde und die diesmal zum Glück ein bisschen näher bei der Trail City lag als die Unterkunft letztes Jahr.

Nachdem ich mir die Reste meines kalten Abendessens einverleibt hatte, begann ich, den Lauf am darauffolgenden Tag vorzubereiten. Ich hatte mir im Vorfeld schon ziemlich viele Gedanken gemacht, ob ich die ganze Ausrüstung in meinen kleinen Laufrucksack hinein bekommen würde. Besonders die Spikes, die man bei der Registrierung des Events dazukaufen konnte, machten mir im Vorfeld einige Sorgen. Aber nun, da ich vor Ort war und sah, daß es sich dabei um Gummiüberzüge mit Stahlketten und -spitzen in einer eigenen kleinen Tasche handelte, war das nur noch halb so schlimm. Durch meine Erfahrung mit Hurricane Heats hatte ich gelernt, daß es nicht verkehrt ist, wenn man z.B. den einen oder anderen Karabiner mit sich führt. Das machte sich jetzt bezahlt, denn so konnte ich die Spikes einfach mit zwei Karabinern außen am Rucksack befestigen, ohne daß sie baumelten. Ich war stolz wie Oskar. Die Trailrunning-Stöcke, die ich mir im Vorfeld noch besorgt hatte, wollte ich eh nicht am Rucksack befestigen, obwohl das wahrscheinlich auch noch gegangen wäre. Also war alles gut. Und wieder einmal - und das ist bei solchen Unternehmungen nicht zu unterschätzen - war ich echt glücklich mit meinem Gear. Am Abend lagen wir dann noch zusammen vorm Fernseher und so klang der Anreisetag gemütlich aus.

Am nächsten Morgen um 3 Uhr in der Früh klingelte der Wecker! Im Halbschlaf zog ich meine Laufsachen an, schnappte meinen fertig gepackten Rucksack und verlies die Unterkunft auf leisen Sohlen, um meine beiden Damen nicht aufzuwecken. Mit dem Auto war ich schnell in der Trail City und hatte noch Zeit für ein Athletenfrühstück. Dann war noch ein etwas Wartezeit bis zu einem zweiten Gear Check - mit der Sicherheit wurde es sehr genau genommen. Der Startschuß war für 5:00 Uhr anberaumt. Nach einer weiteren recht kurzen Wartepause ging es schließlich  los. Mit viel buntem Licht und durch Rauchwolken hindurch begannen alle, sich zu einem Lied von P.Diddy in Bewegung zu setzen. Den Titel hab ich vergessen - ich glaube, es war dieses Gozilla-Lied.

Es ist ein seltsam schöner Moment, mit Stirnlampe und kompletter Ausrüstung in die Nacht hinaus zu laufen und zu wissen, daß es jetzt gleich auf einen 3000er geht. Das wird noch verstärkt durch den gleichmäßigen Rythmus der Läufer um einen herum, jeder angestrengt atmend auf der Suche nach seinem Flow. Die ersten beiden Kilometer, die aus dem Ort und in Richtung Gletscherexpress Talstation führten, waren sehr schnell vorbei.

Ein kleines gelbes Schild wies den Weg zum Mittagskogel und alle folgtem ihm. Spätestens ab hier war es erstmal vorbei mit Laufen. Was eben noch ein breiter Weg war, wurde nun zu einem schmalen Singletrail und schließlich zu einem Steig. Es ging durch den morgendlichen Wald. Die Luft war kühl und feucht. Alles funktionierte wunderbar. In diesem Bereich zog sich das Feld bereits auseinander.

Der Übergang von Wald zu spärlich bewachsenem Berghang war abrupt. Plötzlich konnte ich das Tal hinunterblicken und sah, wie sich eine Wolkenwand in unsere Richtung hinaufarbeitete. Ich schätzte, daß es noch eine ganze Weile dauern würde, bis sie bei uns war. Das war allerdings ein Fehler. Keine 10 Minuten später war sie da und hüllte uns ein. Ich lief im dichten Nebel, der sich feucht auf meine Laufjacke legte. (In einer Eingebung hatte ich diese vor dem Start noch schnell angezogen und war nicht, wie ursprünglich geplant kurzärmlig gestartet.) Die Lichtstimmung war einzigartig. Der Tag brach gerade an - es war vielleicht so gegen 6 Uhr - und der Nebel umgab uns. Ich hatte so gehofft, solch abwechslungsreiche Natursituationen zu erleben...


Genauso schnell wie die Wolke da war, war sie auch wieder verschwunden. Der Weg verlief am Berghang. Die Steigung hielt sich in Grenzen. Von Zeit zu Zeit ging es sogar wieder leicht abwärts. Ein Profil, bei dem es sich gut laufen ließ. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber wenn man so in der Bewegung drin ist und es einfach läuft und man es auch bewußt erlebt und genießt - das ist einfach erhebend. Ich muss dann immer spontan lachen.

Aber so wie die unangestrengten Wegabschnitte kommen, so gehen sie auch wieder und es dauerte nicht lange, bis der Weg extrem steil wurde. Nicht so "Naja, das ist aber ganz schön steil, da kann ich nur langsam laufen.", sondern "Fuck, was ist das denn? Wo ist meine Bergsteigerausrüstung?" In dem Gelände haben sich die neuen Stöcke das erste mal so richtig bewährt. Hätte ich sie nicht gehabt, wäre der Lauf auf dem Mittagskogel für mich zu Ende gewesen.

Und es zog sich! Der Schweiß lief in Strömen. Die Schritte: klein. Von Stein zu Stein. Das Gelände verwandelte sich in geröllige Wüste mit großen Felsbrocken. Nimm, was der Trail dir gibt! Versuch nicht, mit zu großen Schritten voran zu kommen, wenn Du nicht weißt, wie lange es dauert. Das war es, was ich mir zu diesem Zeitpunkt immer wieder gesagt habe, schließlich war ich noch nicht über den höchsten Punkt der ersten Runde gekommen. Und dann hörte ich über mir, wie der Streckenposten ganz oben mit jedem, der vorbeikam, ein Freudengeschrei anstimmte. Das gab mir noch einmal extra Kraft und pushte mich den Berg hinauf.



Als ich den höchsten Punkt endlich überschritten hatte, fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich hatte immer das Höhenprofil des P45G vor Augen und nun war mir klar, daß ich den schlimmsten Teil bereits hinter mir hatte. Und ich hatte ihn genau so durchgezogen, wie ich es mir vorgestellt hatte: Nicht überpacen, Kraft einteilen, Stöcke zu Hilfe nehmen, um die Beine zu entlasten. Alles perfekt. Erstmal n Selfie! Nachdem ich zusammen mit dem Streckenposten einen Jauchzer in die Bergwelt entlassen hatte, begann ich den Abstieg zur Bergstation des Gletscherexpress. Über ein ausgedehntes Schneefeld rutschte ich dem VP entgegen, der dort auf mich wartete.

Der VP war genau richtig positioniert. Allerdings konnte ich nicht wirklich viel zu mir nehmen, was sich durch den ganzen Lauf hindurchzog. Ich konzentrierte mich auf Cola - ein magisches Getränk. Dann stellte ich fest, daß die ersten 10km 3h gekostet hatten. Von diesem Moment an begann die Pace-Rechnerei und nach jedem folgenden Kilometer schaute ich fortan auf die Uhr, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie ich im Rennen lag, schließlich gab es zwei Cut Offs. Der erste war nach 6h - also 11 Uhr - beim Durchlauf in Mandarfen, der zweite war 18 Uhr, also nach 13h im Ziel. Mir wurde klar, daß meine derzeitige Geschwindigkeit nicht ausreichte, um den Lauf innerhalb der Cut Offs zu schaffen, aber es war auch klar, daß die folgenden Strecken nicht so schwierig werden würden. Ich kannte zwar den Rest der ersten Runde nicht, aber dafür die zweite. Allerdings beruhigte mich das auch nicht sonderlich, da ich im Vorjahr gut fünfeinhalb Stunden dafür benötigt hatte, ohne vorher schon auf dem Mittagskogel gewesen zu sein...Naja, erstmal weiterlaufen.

Vom VP ging es hinab zum Gletscher. Endlich! Den Weg hatte ich mir schon im Vorjahr angesehen, als ich mit meiner Familie hier oben war. Damals lag kein Schnee. Dieses Jahr schon. Für alle, die so etwas noch nicht gemacht haben: Da war KEIN Weg. Das war ein Geröllfeld mit Schneebereichen, von denen man nicht wußte, was darunter war. Und hier und da gab es die Markierungen, die mir zeigten, in welche Richtung ich gehen musste. Das war nicht ganz ungefährlich, da es leicht passieren konnte, daß man sich verletzt, falls man im Schnee einbricht ohne ordentliche Seitenführung wegen der nicht-knöchelhohen Trailrunning-Schuhe. Also schön vorsichtig.


Beim Gletscher ließ ich mich nieder und versuchte die Spikes an meine Schuhe zu bekommen. Allerdings war dies der Moment, da sich die ersten Krämpfe hinterrücks anschlichen und zubissen. Deshalb musste ich mich einige Zeit mit dieser Aufgabe befassen. Schließlich gelang es mir und einer der besten Momente des ganzen Laufes war schließlich da: die Gletscherquerung. Als ich das Eis betrat, war ich zufrieden. Deshalb war ich noch einmal ins Pitztal gekommen. Nr 1: I will always place the mission first! (Ach nee, das kommt erst in Gear-Running-Days Teil 2... :) ) Die Spikes funktionierten klasse. Kein bisschen gerutscht. Cool, dachte ich, jetzt hab ich meine Bergausrüstung um ein sehr sinnvolles Detail ergänzt. Die werde ich sicherlich irgendwann noch einmal nutzen. Von Gletscherspalten, vor denen wir im Race Briefing am Vortag gewarnt worden waren und auf die wir selbst aufpassen sollten, war weit und breit nichts zu sehen. Der Weg über den Gletscher war schnurgerade und leider viel zu schnell vorbei :( Auf der anderen Seite hockte ein Fotograf (auch das hatte ich gehofft...) und machte nette Bildchen. Ich schnallte die Spikes wieder ab, verpackte sie und hängte schließlich auch meine Stirnlampe an den Rucksack. Diese sollte mir irgendwann ordentlich auf den Nerv gehen. Dann setzte ich meinen Weg Richtung Braunschweiger Hütte fort.

Als ich dort ankam, war ich zunächst enttäuscht, daß kein VP da war. Das hätte sich super angeboten. Stattdessen bot sich ein fantastisches Panorama mit Blick auf Mandarfen und den auf einem Plateau oberhalb der gegenüber liegenden Seite des Tales gelegenen Rifflsee. Von hier aus sah es so aus, als ob er ausläuft... Und er war noch meilenweit entfernt. Da sollte ich heute noch hin? Ein Wanderer (von denen es ab hier nun immer mehr geben sollte) applaudierte uns Läufern und meinte, daß nun ein "fantastischer Downhill" vor mir läge. Also freute ich mich schonmal vor, doch wie sich herausstellen sollte, war das etwas voreilig.


Ich weiß ja nicht, was man so im allgemeinen als "fantastischen Downhill" bezeichnet, aber ich fand ihn supertechnisch. Hohe Stufen auf einem sehr schmalen Weg - ich wurde oft überholt und verstehe immer noch nicht, wie man da runter rennen kann. Aber viele andere Läufer taten es. Ich hingegen bin von der ängstlichen - bzw. vorsichtigen - Fraktion, schließlich wollte ich keine Verletzung riskieren. Also alles schön pomalo. Die Seilversicherungen über lange Abschnitte hinweg gaben mir recht. Natürlich hatte ich auch die Zeit im Auge. Stellenweise konnte ich schneller unterwegs sein, aber alles in allem hatte ich kein gutes Gefühl. Immer wenn ich rechnete oder nach einem weiteren Kilometer auf die Uhr schaute, dachte ich, ich sei viel zu langsam. Schließlich hatte ich auch dieses Technik-Schmankerl (es ist ja nicht so, daß das keinen Spaß macht) hinter mir gelassen und konnte unten gemütlich bis zum Start- und Zielbereich in der Trail City joggen.


Als ich dort ankam realisierte ich langsam aber sicher, daß nun die erste Runde zu Ende war. Ich war überglücklich, sie geschafft zu haben und gut wieder runter gekommen zu sein. Beim Blick auf die Zeit war ich bafferstaunt. Ich hatte für die 19km 5 Stunden gebraucht, was eine glatte Stunde vor dem Timecap dafür war. Ich trank Cola und Saft und aß auch ein paar Happen. Unter dem Einfluß von genügend Zucker merkte ich nun, daß ich mich während der Lauferei permanent verrechnet hatte. Zum Glück. Das hieß, daß ich jetzt gut 8 Stunden für die Rifflsee-Taschachtal-Runde (oder auch den verbleibenden P30) Zeit hatte. Das sollte ja wohl reichen. Während ich mich verpflegte, erkannte ich den Thomas Samtleben, der kurz nach mir ins Ziel gekommen war. Wir wechselten ein paar Worte und ich erfuhr, daß er nun aufhört, da das für Ihn nur eine Trainingsrunde war und er irgendwann demnächst die "Fire and Ice"-Dingens in Island mit Joey Kelly machen will. Ok, das ist mir ne Nummer zu krass :)

Nachdem ich die Lampe zu meinem Rucksack gebracht und fertig gegessen hatte, machte ich mich auf den Weg in die zweite Runde. Allerdings kam ich an den öffentlichen Toiletten der Rifflsee-Bahn vorbei... Lasst mich soviel sagen: ich fühlte mich leicht wie eine Feder als ich weiterlief und war guter Dinge, die zweite Runde auch in time zu finishen. Und falls Ihr jetzt denkt "Wieso erzählt der uns, dass er aufs Klo gegangen ist?".... Wenn ihr mal bei einem Lauf unterwegs dringend aufs Klo mußtet, dann wißt Ihr, wieso ich das erwähnenswert finde :)

Die nächste Herausforderung war der Anstieg zum Rifflsee. 700 Höhenmeter. Ich sagte mir immer wieder "Nimm, was der Trail dir gibt!". Bloß nicht zu große Schritte machen und versuchen den eigenen Rythmus zu finden. Das gelang mir gut und während ich nach oben meditierte, stellte ich mir vor, daß Antje und Wibke irgendwo über mir gerade mit der Bahn nach oben fuhren, nach unten sahen und Wibke sagte: "Schau mal Mama, da ist der Papa. Der ist aber langsam!".

Oben angekommen, näherte ich mich der Sunnaalm (da kommt die Rifflsee-Bahn an) und - nee, das is jetzt nicht wahr, oder? - da springt mir meine Family entgegen. Es stellte sich heraus, daß sie schon vor einer ganzen Weile hoch gefahren waren und bereits den See einmal umrundet hatten. Ich hab mich riesig gefreut, daß wir ein paar Worte wechseln konnten während ich am VP ein paar Bissen zu mir nahm. Wibke sah aus, als hätte sie auch gern gekostet, aber ich sah davon ab, für sie etwas von der Verpflegung zu nehmen - die Läufer brauchten es definitiv dringender. Nach ein paar Minuten Pause ging es weiter.


Ich merkte sehr schnell, daß es um meine Energiereserven nicht gut bestellt war. Vom See aus wandte ich mich dem kleinen Seitental zu, an dessen Flanke es dann auf einem extrem flowigen Trail zurück zum Plodersee ging. Während ich diesen Trail entlang lief gab es auch wieder so eine schöne Wetterstimmung. Zunächst frischte der Wind auf und pustete die Wolken vor die Sonne. Plötzlich begann es zu regnen - nein, es war gar kein Regen, es war sogar Graupel. Das war gut, denn so musste ich die Regenjacke nicht anziehen. Graupel fällt einfach runter und man bleibt trocken. Genauso schnell wie er gekommen war, verschwand er auch wieder und die Sonne kam zurück. Ich beobachtete andere Läufer, die Ihre Jacken, die sie Augenblicke zuvor angezogen hatte,  nun wieder auszogen. Konnte ich mir sparen.

Der Plodersee liegt oberhalb des Rifflsees und ist ein bisschen versteckt. Ein wirklich schönes Kleinod. Es muss ungefähr hier gewesen sein, als ich zusätzlich zur Kilometer-Rechnerrei auch mit der Gel-Zählerei begann. Ich schwankte zwischen: "Die Gels müssen nur bis zum Taschachhaus reichen." und "Ich sollte mir für den langen Rückweg noch etwas aufheben." Ausgehend von der Sunnaalm waren es ca. 16km bis zum Taschachhaus. Das Taschachtal selbst war ca. 7km lang. Von den restlichen 9km hatte ich gerade 6 hinter mir - macht also noch 10km bis zum VP. OK, ich nehm was! Ich nehm zwei Gels! Ein normales Powergel und so ein italienisches, das ich noch vom Brixen-Dolomiten-Marathon übrig hatte, "Action"-irgendwas - mit Koffein! Leute, ich sag Euch: Das war der reinste Nachbrenner! Bis zum Abzweig ins Taschachtal liefs praktisch von allein (weil auch noch bergab) und dann auf den Weg entlang der Bergflanke. Letztes Jahr kam der mir ewig vor. Diesmal konnte ich rennen! Nichts tat weh. Unglaublich! Ich flog, sprach mit allen Mitgliedern des Teams "Lars sein Körper rennt in den Bergen rum" und stellte weitere Energieschübe in Aussicht.




Nach 3km war die ganze Power raus. Mehr oder weniger schlagartig. Noch 4 Kilometer bis zum VP. Ich nahm ein Gel. Half nicht. Der Weg zog sich und zog sich. Mir fiel wieder ein, dass der Abstieg kurz vor dem Haus wirklich bescheiden war - sollte er auch diesmal sein. Unterwegs traf ich einen Wanderer. Ich glaube, er kam irgendwo aus meiner alten Heimat im Osten. Ich wollte ein paar flüchtige Worte mit Ihm wechseln, aber es stellte sich heraus, daß sein Wandern genauso schnell war, wie mein - aehm, auch - Wandern. Und er textete mich zu. Das war genau bei dem fiesen Downhill. Da fragt der mich doch tatsächlich, ob ich das genießen kann. Klar, Mann! Das hier ist der GENUSSTEIL des Trailruns!! Ok, hab ich nur gedacht und ausweichend geantwortet. Irgendwann war ich ihn wieder los - zum Glück - und konnte die letzten Meter bis zum VP in Ruhe zurücklegen.


Es war wie letztes Jahr: ich war platt und mußte noch zurück. Also wieder schnell viel schnellen Zucker aufnehmen, etwas essen (irgendwie wollte nix rein, aber es musste). Was salziges. Ich schaute auf die Uhr - kurz vor 16 Uhr. Ok, das ging sich noch aus, obwohl ich wieder rechnete: 7km zurück, pro km mit einer 10er Pace macht kurz nach 17 Uhr Ankunft im Ziel. Ich war schockiert, als mir bewußt wurde, dass ich wahrscheinlich mehr als 12 Stunden brauchen würde. Aber so war es, half nichts. Als ich den letzten technischen Teil des Weges kurz nach dem Haus hinter mir gelassen hatte, war es nur noch Schotterpiste. Ich konnte nicht mehr laufen. Alle, die ich auf dem Hinweg an der Talflanke überholt hatte (weil es mir gut ging), überholten mich nun wieder. War mir egal!

Ich quälte mich den ewig langen Weg aus dem Tal raus, ging schnell, lief ein paar Meter, ging wieder schnell. Und dann, zirka 2km vor dem Ziel sah ich sie - meine Mädels. Sie standen auf dem Weg und bildeten mit den Armen eine kleine Brücke, unter der ich hindurch laufen konnte. Das Ziel war auch bereits in Sicht. Ich lief durch die Brücke und dann begann Wibke, neben mir her zu traben. Und so näherten wir uns zusammen die letzten Meter dem Ziel. Kurz bevor wir es erreichten, fragte sie, ob sie mit durchs Ziel laufen solle. Ich sagte, sie kann es selbst entscheiden und dann "Ja". Und so überquerte ich dieses Jahr zusammen mit meiner Tochter die Ziellinie des Pitz Alpine Glacier Trail.


Und dann wieder dieser seltsanme Moment, in dem einem gratuliert wird, in dem ich nichts mitkriege, weil ich einfach nur versuche, auf den Füßen stehen zu bleiben und in dem mir die Medaille um den Hals gehängt wird. Einfach sureal. Die Erleichterung und die Freude über das Erreichte kamen im Laufe des Abends während wir in einem winzig kleinen Lokal saßen und zu Abend aßen. Ich hatte das Gefühl, dass ich nun für mich im Pitztal alles erreicht hätte, was ich mit der mir für Training zur Verfügung stehenden Zeit erreichen kann. Vielleicht müßte ich mich aber auch mehr auf Trailruns konzentrieren und weniger auf OCRs? Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, nach dem zweiten Überqueren der Ziellinie auch nur noch einen einzigen weiteren Meter zu laufen.

Aber als ich so drüber nachdachte, fiel mir auf, daß ich sogar innerhalb der Cut Offs für die Fortsetzung des Rennens über eine längere Distanz geblieben war (wenn ich auch zu deren Startzeit auf den Trail gegangen wäre). Und das, obwohl Runde zwei mit 7,5 Stunden schon deutlich langsamer war, als Runde eins. Und jetzt frage ich mich: Wenn ich all meine Kraft an genau diesem Punkt darauf konzentriere nicht aufzuhören, sondern die nächste Schleife über die Kaunergradhütte in Angriff zu nehmen, würde ich dann vielleicht auch den P60 hinkriegen? Immerhin hatte ich dieses Jahr 47km und knapp 3000hm zurückgelegt. So viel fehlt zu 60km nicht mehr.

Vielleicht finde ich das nächstes Jahr raus....

Donnerstag, 18. Juli 2019

Was bleibt - in Erinnerung an meine Mutter

Es ist schwer, mich daran zu gewöhnen,
dass vertraute Orte Ihre Bedeutung verlieren, weil Du nicht mehr dort bist.
Ich kehre zurück mit dem Wunsch, Dich wiederzusehen und finde -

Leere.

Im Alltag bin ich so stark mit mir selbst beschäftigt,
dass ich gar nicht merke, wie die Zeit vergeht und die Gelegenheiten schwinden,
um Kontakt mit Dir aufzunehmen -

Dich zu erleben, Dich zu erkennen.

Dann bist Du plötzlich weg und ich frage mich: "Habe ich Dich wirklich gekannt?"
Und ich beginne, alle Erinnerungen, derer ich habhaft werden kann,
wie Puzzle-Teile zusammenzusetzen und mir ein Bild zu machen.

Aber es ist nicht ganz, nicht vollständig. Es hat Lücken und Risse.
Dann rahme ich es ein und schütze es und halte es fest.

Das ist es also, was bleibt.




Sonntag, 23. Juni 2019

Einmal das OCR Maxi Menu, bitte...


Meine internationale OCR-Erfahrung beschränkt sich bisher auf Österreich. Das ist aber - gefühlt - nicht wirklich Ausland. Um diesem Umstand einmal Abhilfe zu schaffen dachte ich mir, dass es eine gute Idee ist, mich am Wochenende 15./16.6. nach Nijmegen zu begeben zu einem FETTEN OCR-Wochenende beim Strong Viking.

Die Niederlande sind das Mutterland von Strong Viking und ich finde, das merkt man auch. Es war ein Vollgas-Event und die Jungs von SV haben das ganze Wochenende Party gemacht. Es lief dauernd Musik mit fetten Bässen, lauter lachende Gesichter um einen herum und eine sehr große Anzahl von Zuschauern - oft Familien mit Kindern - verliehen der Veranstaltung eine ganz besondere Atmosphäre. Diese geniale Stimmung in Kombination mit anstrengenden sportlichen Challenges und einem weltklasse Elite-Wettkampf im OCR-Sport, nämlich den OCR Series World Finals, haben das Wochenende zu einem ganz besonderen Erlebnis werden lassen.

Ich wollte aber nicht nur Spaß haben, sondern auch eine Grenze testen. Mein Programm sah an beiden Tagen jeweils zwei Läufe vor, sodaß ich so dicht wie möglich an die 60km herankomme. Für alle Läufe zusammen hatte ich mir ein eigenes Zeitlimit von 10 Stunden gesetzt. Außerdem wollte ich mir das Gros der Strong Viking Medaillen abholen. OK, ich geb's zu - ich mach das alles nur der Medaillen wegen...und weil man danach so schön platt ist.

Am Freitag Abend kam ich - nach knapp 7 Stunden Fahrt - im Hotel "de zeven Heuvelen" in Groesbeek an. Ein nettes kleines Hotel, in dem es sogar eine Sauna gab, die ich jedoch nicht in Anspruch genommen hatte. Ausstattung und Frühstück waren ok. Da ich am Freitag schon recht zeitig ins Bett gegangen war, wurde ich am Samstag auch entsprechend früh wach und merkte schnell, dass es draußen Bindfäden regnete. Allerdings entsprach das der Vorhersage, sodass ich nicht wirklich überrascht war.

Das Frühstück war ein bisschen spät, sodass ich mich beeilen musste. Allerdings erreichte ich dann pünktlich das Event-Gelände und konnte mir noch den Start der Vikings um 10 Uhr anschauen, bevor es für mich 10:20 Uhr zum ersten Mal losging. Im Startbereich hinter der 3m Wand wurden wir von "Give me an ORAAH for"-Synthia aufgewärmt. Hier lernte ich eine neue Übung kennen - ich nenne sie den "Aggro-Hampelmann", denn wir haben sie im Takt zur Technomucke gemacht :) War lustig. Es folgte der Viking Haka, der den Start-Countdown einleutete und dann gings los.

Man muss wissen, dass das Event-Gelände in Nijmegen an einem See liegt, um den man in verschiedenen Richtungen herum läuft. Es hat bei mir sage und schreibe 3 von 4 Läufen gedauert, bis ich die Orientierung hatte. Das ist eigentlich ungewöhnlich, da ich mich recht gut zurechtfinde und die Örtlichkeiten meist gut einschätzen kann. Naja, aber im Prinzip ist das auch nicht wichtig. Alles, was man wissen muss, ist, dass man auf einer 20km-Strecke ist und dass es vorbei ist, wenn man angekommen ist.

Beast Nr. 1 am Samstag war der coolste Lauf. Die Strecke war noch einigermaßen laufbar - natürlich auch wegen der noch vorhandenen Energie, aber das ist eine andere Geschichte. Trotz des Regens an den Vortagen ging es gut voran. Die Mud-Areas hingegen ließen schon erahnen, worauf es später hinauslief. Überhaupt gab es für eine Water Edition extrem viel Mud. Natürlich wurde man an den einschlägigen Wasser-Hindernissen auch immer wieder sauber - ich sag nur: Flying Ragnar, 4 mal! :) Aber größtenteils war es doch gaaanz schön schlammig! Zum Glück hatte die Strecke keine nennenswerten Höhenmeter. Diese Kombination wäre wohl tödlich gewesen...Mit dem Schlamm ging eine andere Schwierigkeit einher: Verdreckte Hangel-Hindernisse. Eine Monkey-Snake mit anschließenden Monkey Bars wird extrem viel schwerer, wenn man immer droht abzurutschen. Aber es geht.


Auf der Strecke traf ich immer mal wieder Sarah, die verdammt schnell an mir vorbeizog, nur damit ich sie am nächsten Hindernis wieder einholte. So wechselten wir uns immer wieder ab. Am Ende im Ziel erzählte Sie mir, dass sie letztes Jahr bei Getting Tough den 2. Platz geschafft hatte, was mir erstmal den Unterkiefer runterklappen ließ :)

Zu den Hindernissen gibts nicht viel zu sagen - Strong Viking eben, einfach genial. Die Kombi Ice Axe / Berserker Crawl am Ende ist der Hammer, obwohl Ice Axe für mich schon deutlich besser lief diesmal. Berserker Crawl, no chance! Aber vielleicht strenge ich mich auch nicht genug an. Ich gebe zu, dass es am Ende eines Beasts verlockend ist, einfach nochmal 10 Burpees rauszuhaun, statt sich da durch zu quälen. Vielleicht sollte das Hindernis irgendwo zentraler auf der Strecke stehen, so wie der Weaver. Den liebe ich heiß und innig, besonders den Teil in der Mitte unter dem Netz. Der Weaver ist ein Paradebeispiel für "Technik ist alles". Strong Wall und Log Climb - beide genial! Und natürlich der Fjord Drop. Den konnte ich an diesem Wochenende dreimal machen und der wird einfach nicht langweilig. Und dann - wo man am weitesten vom Start- und Zielbereich entfernt ist - wird es ländlich und man läuft: ........... durch einen Kuhstall :) :) Ich muss gestehen, das hat mich wieder aufgebaut und eine Weile gen Ziel getragen. Auf dem Rückweg gabs dann noch eine richtig lange Tyrolean Traverse (über ein Gewässer). Die hatte es ganz schön in sich.

War man wieder im Start- Zielbereich zurück, kamen besagte Hammer-Hindernisse und dann ging es auch schon das erste Mal über die Walhalla Stairs! Das war fast wie bei einem Iron Viking, bei dem man genau weiß, dass man noch zweimal hier vorbeikommt. Ok, runter, Torque geholt, Bier geholt, gewartet, bis Sarah ankam und noch ein paar Worte mit Ihr gewechselt. Dann hieß es: Vorbereiten für den Warrior. Die Startzeit war eigentlich für 14:20 Uhr angesetzt, aber da ich die erste Runde in 2:42h geschafft hatte, reichte die Zeit für das Bier und den Zwischendurch-Riegel so, dass ich schon 14:00 Uhr loslaufen konnte. Meine Idee war, dass ich für diese Runde unter 2 Stunden bleiben wollte.

Allerdings stellte sich heraus, dass das schlicht utopisch war. Zum Einen waren vorher bereits mehrere Beast- und Warrior-Wellen über die Strecke gebügelt und hatten ihr ein neues Feel verpasst. Richtig viel Matsch! Alles was vorher an Mud-Area noch einigermaßen passierbar war, hatte nun seine Konsistenz deutlich verändert und sich komplett verflüssigt. Zum Anderen machten sich bei dieser Runde die Staus an den Hindernissen so richtig bemerkbar. Besonders an der Tyrolean Traverse stand ich echt lang. Als kleines zusätzliches Mind-Fuck-Feature kam die Abkürzung hinzu, die die große Beast-Schleife vom Warrior abtrennt. Diese Abkürzung bestand aus einem viel zu langen Stück Joggen auf Teer. Der Warrior war eh schon gut ein und einen halben Kilometer länger als ausgeschrieben, aber all diese Umstände zusammen machten ihn zu einer ganz schönen Hängepartie.

Unterwegs habe ich immer wieder auf die Uhr geschaut. Ich wollte sub 2h laufen und die Minuten zerrannen mir unter den Füßen. Schließlich war ich nicht mehr frisch und musste auch gegen meinen Körper kämpfen bzw. ihm immer wieder gut zureden. Nach gut 2:28h kam ich im Ziel an und war heilfroh, das Programm des ersten Tages hinter mich gebracht zu haben. Allerdings war ich nicht glücklich, wußte ich doch, dass ich mehr Zeit gebraucht hatte, als ich wollte und die große Rechnerei für Tag 2 ging los. Aber erstmal hieß es nun power-chillen, um am nächsten Tag wieder fit genug zu sein, um den Rest des Programmes durchzuziehen.

Nachdem ich während des Warriors schon die ganze Zeit über den See schallen hörte, daß um 18:30 Uhr die OCR Series ihr großes Finale für diese Saison hat, wollte ich mir dieses Spektakel nicht entgehen lassen, zumal sich Stefan - wie schon letztens berichtet - qualifizieren konnte und auch mit am Start war. Also holte ich mir nachdem ich mich umgezogen hatte erstmal zwei Viking Burger  und lud Proteine und auch ein paar Kohlenhydrate nach. Ihr glaubt gar nicht, wie schnell die weg waren. Dann machte ich mich auf die Suche nach Stefan und fand ihn schließlich beim Athlet-Briefing unterm Red-Bull-Zelt. Wir quatschten ein bisschen und wollten eigentlich am nächsten Tag den Beast zusammen laufen, was jedoch leider nicht geklappt hat...


Dann wohnte ich dem Start der Series Athleten bei und muss gestehen, dass es nochmal etwas anderes ist, wenn man die Jungs und Mädels losfetzen sieht. Ich denke, dass ich mit unter 3h für einen Beast beim Strong Viking nicht allzu schlecht unterwegs bin, aber wenn ich sehe, dass der Sieger, der dieses Jahr kein geringerer als Jonathan Albon war, diese Distanz in 1:28h abreißt, dann komme ich mir echt klein vor. Und das ganze dann auch noch mit mehr und deutlich schwereren Hindernissen auf der Strecke, die "normale" Beast-Starter nicht absolvieren mußten. Das Schöne ist, dass ich ein paar nette Eindrücke sammeln konnte und mich ehrlich gesagt gewundert habe, dass es auch bei den Elite-Athleten zu Stau am Hindernis kommt. Nachdem der Sieger dann im Ziel war, habe ich mir den dritten Viking Burger eingeschmissen und bin danach Richtung Hotel abgedüst, wo ich mich an diesem Abend recht schnell ins Traumland verabschiedet habe. Allerdings erst nach einer ausgiebigen Faszien-Rollen-Session. Ich hatte leider kein Magnesium dabei. Das wäre auch noch gut gewesen, aber es sollte auch ohne gehen. Überhaupt war ich relativ überrascht, wie "unverkrampft" ich unterwegs war.

Am nächsten Morgen war ich wieder deutlich vor dem Frühstück wach und musste mich dann allerdings beeilen, weil ich noch zeitiger starten wollte - nämlich schon um 9:40 Uhr. Also musste alles knapp und zügig gehen - ein Vorteil, wenn man das Timing eines Events komplett in den eigenen Händen hat. Schließlich schaffte ich es wieder pünktlich zum Start und Synthia heizte uns ordentlich mit den Aggro-Hampelmännern und einigen anderen Übungen ein. Dann kam wieder der Viking Haka und gleich danach ging es los. Dadurch, dass ich das nun schon zum dritten Mal gemacht hab und durch die Beschallung quer über den See, bei der man die Starts der anderen Startwellen mitbekam, kam es mir schon wie eine liebgewonnene Gewohnheit vor. Besonders cool finde ich natürlich immer, wenn die Starter den Codex nachsprechen:

Strong Viking is not a race but a challenge. 
Vikings NEVER QUIT. 
Vikings conquer their fears.
We leave no Viking behind.
Vikings will drink their beer in Walhalla.

Als kurz nach dem Start meine Füße fast sofort wieder nass wurden, war auch das schon fast so etwas, wie eine schöne Gewohnheit. Laufen mit trockenen Füßen is voll fürn Arsch, wenn man es genau nimmt :) Ein Stück Freiheit, einfach durchlaufen, fertig. Irgendwann fiel mir wieder ein, dass jetzt wieder die gesamten Beast-Kilometer vor mir lagen und kurz war ich versucht zu denken: "Och nö!" Aber nur kurz! Es lief dann einfach. Man ist unterwegs, sieht die Stellen, die man mag oder nicht mag und denkt "Schade, hier komme ich nicht mehr vorbei." oder "Zum Glück ist es das letzte Mal durch diese verdammte Schlammschneise." Es gab wirklich Streckenabschnitte, die wünschte ich zur Hölle, meist die, wo man bis zum Knie versank! Die Strecke hatte sich seit dem Vortag nicht zu ihrem Vorteil gewandelt und so war diesmal schon der Beast challenging. Auch natürlich wegen der Vortagesbelastung.

Aber darum ging es mir ja. Das war, was ich wissen wollte: Kann ich ohne signifikante Erholungspause wieder starten und längere Distanzen durchziehen? Es lief nicht fluffig, wie am Vortag, aber es ging. Allerdings bestätigte mir meine Uhr, dass mein Körper am Limit war. Nach dem Lauf bescheinigte sie mir sowohl für den aeroben als auch den anaeroben Trainingseffekt einen Wert von 5.0, was eine saubere Überlastung ist. Von der Muskulatur will ich gar nicht sprechen. Die ist nach wie vor der Engpass.

Ich versuche immer, so lange zu laufen, wie es geht. Locker lostraben, kleine Schritte, nicht zu hoch "hüpfen" - aber irgendwann kommt der Punkt, an dem ich das Gefühl habe, dass es auf keinen Fall mehr geht. Dann wende ich meine Aufmerksamkeit nach innen und versuche nur noch, meinen Zustand zu analysieren. Ich befinde mich dann in einem inneren Dialog. Parallel dazu zieht die Strecke an mir vorbei und ich hake die einzelnen Stellen und Hindernisse ab. Freue mich, dass ich nicht noch einmal vorbeikomme. Als ich die Tyrolean zum dritten Mal absolvieren wollte, ließen mich meine Oberarme schließlich im Stich und ich ließ mich einfach mal - der Erfrischung wegen - ins Wasser plumsen. So ging der 2. Beast dahin und als ich am Ende wieder "automatisch" die Walhalla-Stairs erklomm, tauchte ich wieder auf und stellte fest, dass unten gerade eine neue Startwelle mit dem Viking Haka motiviert wurde. Da blieb ich doch glatt auf der Stufe oberhalb von Synthia stehen und hab dann gleich noch mitgemacht - allein ganz oben :) Dann sprang ich die Stufen runter, schaute auf die Uhr und konnte es kaum glauben: Ich war praktisch genauso schnell wie am Vortag gewesen. Ein Wahnsinn! Das gab mir genug Puffer für den letzten Lightning.

Ich flitzte also ins Taschenzelt, aß einen Riegel, trank etwas Wasser und packte mir alle bis dahin erkämpften Bändchen an den Arm - die eigentlich jetzt schon für alle drei Medaillen gereicht hätten. Aber ich wollte mir den Moment der Momente - das Abholen der Medaillen - bis zum Schluss aufsparen. Der letzte Happen des OCR Maxi Menüs sollte der leckerste werden und ich brauchte für den Lightning eine gute Motivation. Dann zurück zum Start-/Zielbereich, in die Welle 20 Minuten früher als geplant (super, das war auch noch für die Rückfahrt gut). Das vierte Mal "Aufwärmen", Aggro-Hampelmänner, Codex, Viking Haka und los.

Über die letzte Runde gibt es nicht viel zu sagen. Ich kannte alles, wußte, was auf mich zukam. In Trance oder einem ähnlichen Zustand absolvierte ich die Strecke, wieder durch die Mud-Areas, sah die Atlas Stones und war unglaublich froh, sie nicht noch einmal über die Stange wuchten zu müssen. Diesmal konnte ich nach Blatant (ein neues Wasser-Hindernis) zu den Walhalla Stairs abbiegen, was ein enormer Vorteil war, da ich so recht sauber im Ziel ankam. Und das ganze nach nur 1:09h. Ich hielt mich nicht lange oben auf, wollte meine Belohnung! Also runter, Bändchen kassieren, diesmal kein Bier mitnehmen und ab zum Medal Point.

Ich hatte 7 Bändchen am Arm, 4 davon Beast!

Jeder, der Strong Viking kennt, weiß, was das heißt. Ich hatte mir bisher keine einzige Medaille geholt, um alle drei gleichzeitig "abzufassen". Und YES! So war es auch. Der Volunteer hatte ein paar Probleme, alle Bändchen abzuknipsen und dann gehörte das Blech mir. Falls sich das jetzt etwas seltsam liest - Medaillen sind schon extrem wichtig. Und die von Strong Viking sehen verdammt gut aus und rechtfertigen definitiv die ganze Mühe.

 

 
Nachdem ich mich anschließend ein wenig gereinigt hatte und mir noch nen Viking Burger und nen Hamburger eingeschmissen hatte, hab ich nochmal genau nachgerechnet, ob ich mein Zeitziel auch erreicht hatte. Und was soll ich sagen:

58,82km in Summe in 9:01h...