Endlich war Freitag. Nach einem kurzen Tag im Home Office haben wir schnell noch ein paar Sachen eingepackt und brachen ziemlich zeitig gen Pitztal auf. Ich war heilfroh, dass ich endlich der seit Tagen andauernden Hitze entfliehen konnte. Die Checkliste mit der Pflichtausrüstung hatte ich schon tagelang verinnerlicht und zum gefühlt 100. Mal geprüft. Pflichtausrüstung? Klar, es ging zum Pitz Alpine Glacier Trail, einem Trailrunning Event,bei dem man sich so richtig verausgaben konnte. Es wurden insgesamt 6 verschiedene Strecken angeboten, mit 15, 26, 42, 85 und 100km. Von den 42ern gab es 2 Varianten - einen "einfachen", der 2 Mal zum Rifflsee führt und einen schweren, bei dem man, genau wie der 85er und der 100er zuerst auf den Mittagskogel hinauf muss, um dort den Pitztaler Gletscher zu queren. Besagte Pflichtausrüstung variierte zwischen den Distanzen. Wer z.B. über den Gletscher wollte, musste Spikes mitführen. Die Läufe waren in Runden konzipiert, sodass man immer wieder in Mandarfen in der Trail City - also dem Start- und Zielbereich - vorbei kam. Das traf allerdings nicht für mich zu, da ich mich für den P26 entschieden hatte und somit ausrüstungstechnisch noch glimpflich davon kam. Außerdem hätte ich mehr eh nicht geschafft, dazu am Ende noch eine kurze Bemerkung. Wir starteten also zeitig, die Fahrt sollte unsere Geduld jedoch noch einmal auf die Probe stellen, denn wie gewöhnlich war zwischen Irschenberg und Inntal-Dreieck Stau. Danach 100km/h. IG-L. Bis Innsbruck. Wie immer!! Wir kamen gegen 18:00 Uhr in Mandarfen an, wo ich in der Trail-City recht schnell meinen Laufkollegen Dominik entdeckt hatte. Er war mit seiner Frau da, ich mit meiner ganzen Familie. Er war schon eingecheckt und hatte seine Startnummer, die man nicht ohne den strengen(!!) Equipmentcheck bekommt, ich noch nicht. Also stellte ich mich an und während meiner ca. 45minütigen Wartezeit brachte meine Freundin mir eine leckere Kohlenhydrat-Bombe, bestehend aus Reis und Hühnchen. Sehr lecker, denn während des Events war auch ein Street-Food-Festival... Kein Zufall :) Nachdem mein Equipment den Check überstanden hatte, war auch ich recht schnell eingecheckt. Wir saßen noch kurz mit Dominik (der sich für den P42 mit dem Rifflsee-Double entschieden hatte) und seiner Frau zusammen und genossen ein bisschen die Athmosphäre, um dann recht schnell unser Quartier ein paar Kilometer weiter unten im Tal zu beziehen. Das stellte sich als vorteilhaft heraus, da es in Mandarfen doch recht laut war. Am nächsten Morgen gegen 07:00 Uhr brach ich auf, um pünktlich 07:30 Uhr vor Ort zu sein und mir das Race Briefing anhören zu können. Start war für 08:30 Uhr angesetzt. Die P100er waren zu dem Zeitpunkt scon 5 Stunden unterwegs und während wir auf unseren Start warteten, kamen die anderen bereits von Ihrer ersten Runden wieder - gefeiert wie Helden. Pünktlich, 08:30 Uhr fiel der Startschuß für die 1. Welle (da war ich nicht dabei... ). 3 Minuten später die 2. mit mir - schließlich hatte ich mich als Genußläufer deklariert. Und genießen konnte ich. In vollen Zügen. Die Landschaft - mein Gott, die Landschaft. Früher hab ich mich immer über meine Mutter gewundert, wenn sie gern Filme von der Alm angeschaut hat - und heute? Mittlerweile guck ich Volksmusiksendungen, um Berglandschaften und Berg-typische Kultur zu sehen. :) (und natürlich Red Bull TV). Aber jetzt hatte ich das Heidi-Panorama live und in voller Pracht. Während die Läufer also gemütlich mit 5:30er Pace lostrabten, merkte ich, dass meine Beine doch recht schwer waren. Das lag wohl in den wiederholten 30km Läufen aus den letzten Wochen. Jedoch hatte ich versäumt, auch mal nen g'scheiten Uphill zu machen, und so würde ich aus jetziger Sicht einschätzen, war ich eher "untrainiert" gestartet. Egal. Der erste Uphill zu Sunnaalm am Rifflsee war mit seinen 700hm anstrengend aber machbar. Der Weg war mit hohen Stufen gespickt, sodass man hier ein Oberschenkel-Training par Excellence bekam (oder eben gebraucht hätte....). Oben war der erste VP ca. 1,5h nach dem Start. Ich aß zwei Stückchen Banane und dann ging es auch gleich weiter. Die VPs waren sehr gut ausgestattet mit einer Vielzahl verschiedener Energie- und Mineralienlieferanten. Allerdings - und das war ein entscheidender Unterschied zum P15 - war der nächste VP, das Taschachhaus, ungefähr bei Kilometer 18,5. Das sollte ich noch zu spüren bekommen. Es ging also um den Rifflsee herum und nachdem man noch ein Stück entlang des Rifflbachs gelaufen war, kamen die nächsten moderaten Höhenmeter über den Offenbacher Höhenweg hinauf zum Fuldaer Höhenweg. An dieser Stelle sei gesagt, dass "Laufen" zwar möglich, das Gelände jedoch ein sehr technisches war. Spätestens nach dem Rifflsee war ein "Weg" nicht mehr als ein kleiner Pfad - wenn überhaupt - und es ging standardmäßig über gut markiertes, sehr verblocktes Gelände. Das sollte bis auf die letzten 7km auch so bleiben. Als ich auf den Fuldaer Höhenweg einbog, der dem gesamten Taschachtal folgte, begannen meine Waden bereits, sich bemerkbar zu machen. Das war nicht gut - viel zu früh. Aber noch "zuckelten" sie nur ein bisschen und ich veränderte meine Lauftechnik, um sie ein wenig zu entlasten. Das half jedoch nur begrenzt, denn die immer wiederkehrenden hohen Stufen taten ihr Übriges zum desolaten Zustand meiner Beine. Und so zog es sich und zog sich. Es wurde wärmer, die Beine wurden schwächer, die Kühe standen direkt auf dem Weg und es zog sich. Unterwegs rannte ich, wenn es ging, ging, wenn es nicht ging und blieb stehen, wenn es gar nicht mehr ging. In diesen Pausen verdrückte ich 2 der 4 Riegel und trank, um den Schaden in den Waden in Grenzen zu halten. Aber irgendwie kam keine Energie in den Beinen an. Schließlich, ca. 1km vom Taschachhaus entfernt, musste man auch noch einen seilversicherten Abschnitt passieren. Klettern mit Krämpfen - Supergau! Und das ganze bei bester Sicht auf den gefühlt meilenweit entfernt liegenden VP. In diesen Momenten spaltet man sich auf - in einen Kopf der denkt und einen Körper der macht. Und weil der Kopf allein nicht zurückkommt, versucht er die Beine zu überreden, ihn, verbunden durch den dazwischenliegenden Körper (der eigentlich noch ganz gut drauf war), wieder zurück zu tragen. Zusätzlich überredete der Kopf die Arme, die Stöcke als Unterstützung für die Beine einzusetzen. Prima Idee. Der Downhill Richtung Taschachhaus lief den Umständen entsprechend gut (Wadenanspannung vermeiden!!), jedoch meldeten sich nun die bereits vermißt geglaubten Adduktoren - zunächst nur seicht. Egal. "He, Beine, kein Problem - es geht nur noch runter bis zum VP, dann gibs was zu naschen." In der Senke ging es über den Bach, der das Taschachtal geschaffen hat und dann...es gibt keinen Gott! Ein Uphill! Waden, check! (muss doch Energie angekommen sein) Oberschenkel, check! OK, lets go! Letzter Uphill. Bis zu Hälfte, dann gaben die Adduktoren Vollgas - Schmerzen in den Innenseiten der Oberschenkel bis zu den Knien! Waden, doch nicht check. Gaben auch Gas aufgrund nicht mehr durchführbarer Schontechnik. Himmel Hergott Kreuz Kruzifix no amoi!! Dieser verdammte Körper macht was er will, dabei soll er machen was ich will. Also, aufstehen! Geht. Beine überreden, zum VP zu humpeln. Geht auch. Und schließlich, Ankunft im Taschachhaus. Es gibt doch einen Gott....Essen? Fehlanzeige - ging nicht. Also trinken. Schnell viel schnellen Zucker aufnehmen. Ein Blick auf die Uhr: Wie können das erst 20km gewesen sein? Kurzer Plausch mit den Streckenposten - der wollte mich tatsächlich überreden, 10 Liegestütze zu machen, damit er meine Nummer aufschreibt. Ich habe zugestimmt, die Liegestütze doch nicht gemacht und er hat meine Nummer aufgeschrieben. Als es mir wieder besser ging, bin ich los auf die letzte Etappe. The final Downhill. Zunächst wieder steil und verblockt. Dann immer seichter - schließlich nur noch breiter Versorgungsweg. Der schnelle Zucker wirkt! Ich werde schneller, schaffe schließlich sogar eine Pace, bei der eine 5 vorn dran steht. Wie geht das? Beine, ich kenne Euch nicht aber ihr macht das super! Und schließlich, nachdem noch ein Minianstieg zu einer kleinen Alm auch noch hinter mir liegt und ich endlich die letzten Meter zur Trail-City geschafft hab, laufe ich durchs Ziel. Wie immer, schneide ich in diesem Moment nix mit, kann nix sagen. Plötzlich habe ich die Medaille um den Hals, werde zu der "tollen Leistung" beglückwünscht - das waren doch nur 26km? Ach nein, meine Uhr sagt 28km und nicht 1600hm, wie ausgeschrieben, sondern nur 1200 und ein paar Zerquetschte. Die Zeit 5h:49min. Duchschnittspace - laut Uhr - 11:42min/km. Kurz nach mir kommt Dominik ins Ziel. Nach 7h27min hat er den P42R gerockt. Unglaublich! Wir gratulieren uns, trinken kurz etwas zusammen und gehen dann, so schnell es geht, zu unseren Familien und unter die Dusche. Später am Nachmittag treffen wir uns und "feiern" ein bisschen unseren Tag und uns selbst. Achja, zum Gletscher...am nächsten Tag haben meine Familie und ich noch ein wenig Zeit im Pitztal verbracht, Wir haben die Gelegenheit genutzt und sind mit dem Gletscherexpress auf den Mittagskogel gefahren. Das sollte man unbedingt tun, wenn man dort ist, denn der Gletscher ist atemberaubend. Aber das Gelände da oben ist noch eine Nummer schwerer. Wir haben ein älteres Paar getroffen. Der Mann hat seiner Frau gezeigt, wo er gestern entlang gelaufen ist. Er war sicher zwischen 50 und 60 Jahre alt. Er meinte, er hätte nur die erste Runde über den Mittagskogel gemacht und sei dabei über 6h unterwegs gewesen, weshalb er die zweite Runde (also die P26-Strecke) dann sein gelassen hat. Er wollte das einfach erleben. In diesem Moment habe ich den P42G auf meine Liste gesetzt. Pitztal, ich komme wieder.
Donnerstag, 6. September 2018
Schmerzen, Zucker und Landschaft - ein Genuß
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