So, da sitze ich nun und versuche, die ersten beiden Wochenenden des Monats August auch nur ansatzweise zu verarbeiten. Und das ist wirklich ein ganzer Haufen. Ich weiß auch gar nicht, wie es soweit kommen konnte, daß plötzlich so eine geballte Ladung Erlebnis über mich hereinbricht. Aber gut. Irgendwie kam während der Planung - falls man es so nennen kann - eins zum anderen und dann standen die Termine plötzlich im Kalender.
Termin Nummer eins war am 02.08. im Pitztal. Den Pitz Alpine Glacier Trail hatte ich schon letztes Jahr gemacht und mich stehenden Fußes - oder besser gesagt krampfender Wade - in die Landschaft verliebt. Und da ich nicht über den Gletscher gelaufen war, hatte ich hier noch etwas zu erledigen. Genau wie damals war ich erstens spät dran, die Unterkunft zu buchen, und habe zweitens meine Mädels gleich wieder mit eingepackt, damit sie auch mal ein bisschen Bergluft zu schnuppern bekommen.
In diesem Sommer nun wollte ich über den Gletscher. Die Minimalvariante dafür war der P45G - der CompressSport Glacier Marathon. Damit ich mich ein bisschen unter Druck setze, hatte ich mich schon vor einigen Monaten dafür angemeldet und mir fest (!!) vorgenommen, diesmal für den Lauf zu trainieren. Das heißt, bevor ich dorthin fahre, wollte ich "einige" Bergläufe gemacht haben. Guess what :) Ich glaube, es war einer - im März, 30km mit 700hm. Das war alles. Ansonsten wieder nur "normale" Läufe. Und so stieg die Unsicherheit je näher der Tag des #pagt19 kam. Aber nachdem ich letztes Jahr gemerkt hatte, daß mein Körper Dinge kann, die ich selbst nicht für möglich hielt, bestand eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß es auch dieses Jahr wieder klappt.
Ich stelle fest, daß es mir mittlerweile nicht mehr wirklich etwas ausmacht, wenn ein Lauf 40km oder mehr Distanz beinhaltet. Ich fange an, mir mehr Gedanken um das Drumherum zu machen: Wie weit sind die VPs voneinander entfernt? Wie ist das Gelände? Wetter? Hindernisse? Und solche Sachen...aber Distanz? Hat sich deutlich nach hinten verschoben. Damit könnte ich mich eigentlich gemütlich zurücklehnen und sagen: "Ich habe mein Ziel erreicht." Vor drei Jahren, als ich das erste Mal einen "echten" Marathon gelaufen bin - blöderweise in Frankfurt auf Teer (als Gegenleistung dafür, daß Dominik den ZUT Basetrail mit mir zusammen bestritten hatte) - da hatte ich mir vorgenommen, daß ich die Marathondistanz zu "meiner" machen will. Ich wollte mich soweit entwickeln, daß ich das einfach kann. Naja, "einfach" kann ich das natürlich immer noch nicht (ganz zu schweigen von schnell), aber es entlockt mir kein Erfurchtsstaunen mehr, wenn jemand sagt, er hat nen Marathon gemacht. Und es jagt mir auch keinen Schreck mehr ein, wenn ich mir das selbst vornehme....Kurzer Ausflug in die Vergangenheit beendet.
Also P45G, worum gehts? Beim PACT gibt es zwei Marathondistanzen. Eine führt um den Rifflsee herum die Taschachtalrunde entlang und dann ein zweites Mal hinauf zum Rifflsee (P45R). Und die andere verläuft erst hinauf auf den Mittagskogel mit 3070m, über den Pitztal-Gletscher und via Braunschweiger Hütte zurück nach Mandarfen, um den Läufer anschließend hoch zum Rifflsee zu führen und dann die Taschachtalrunde anzuschließen (P45G). Das war mein Programm.
Allerdings muss man dazusagen, daß die G-Variante deutlich höher ist als die R-Variante und auch die Trails erreichen ein deutlich techniklastigeres Level. Hinzukommt, daß man eine gewisse Zeit am Bergrücken entlang läuft, wo das Risiko von plötzlichen Wetterumschwüngen erwischt zu werden, sehr hoch ist - schlicht, weil es in jede Richtung einfach viel zu weit ist, um schnell genug irgendeinen Schutz zu finden.
Wir kamen also am 02.08. zu einer guten Zeit im Pitztal an, sodaß ich mich gleich zur Registrierung begeben konnte. Meine Mädels hatten keine Lust auf die Rumsteherei und kümmerten sich stattdessen lieber um den Check-In im Hotel. Leider hat es auch diesmal wieder recht lange gedauert, bis ich bei der Registrierung - inklusive vollständigem Ausrüstungscheck - durch war. Diese Überprüfung ist sehr wichtig und wird von den Veranstaltern sehr ernst genommen, allerdings führt das auch zu langen Wartezeiten.
Als das erledigt war, besorgten wir uns etwas zu essen, was dank des parallel stattfindenden Streetfood Festivals kein Problem war. Kaum hatten wir das Essen in der Hand und orientierten uns zurück zum Auto, fiel mir ein, daß ja noch das Race Briefing stattfinden sollte. Das wollte ich unbedingt noch anschauen. Für den Track ansich hätte ich das nicht gebraucht, aber es gab auch aktuelle Informationen zum Zustand der Strecke. Und die sind auf jeden Fall interessant. Als es zu Ende war, war mein Essen - Chilly Cheese Fries (ohne Cheese) - kalt. Besteck hatte ich auch nicht - Fingerfood. Ging schon. Gegen 8 am Abend bezogen wir unser Quartier - eine kleine Ferienwohnung, die auch vom Hotel vermietet wurde und die diesmal zum Glück ein bisschen näher bei der Trail City lag als die Unterkunft letztes Jahr.
Nachdem ich mir die Reste meines kalten Abendessens einverleibt hatte, begann ich, den Lauf am darauffolgenden Tag vorzubereiten. Ich hatte mir im Vorfeld schon ziemlich viele Gedanken gemacht, ob ich die ganze Ausrüstung in meinen kleinen Laufrucksack hinein bekommen würde. Besonders die Spikes, die man bei der Registrierung des Events dazukaufen konnte, machten mir im Vorfeld einige Sorgen. Aber nun, da ich vor Ort war und sah, daß es sich dabei um Gummiüberzüge mit Stahlketten und -spitzen in einer eigenen kleinen Tasche handelte, war das nur noch halb so schlimm. Durch meine Erfahrung mit Hurricane Heats hatte ich gelernt, daß es nicht verkehrt ist, wenn man z.B. den einen oder anderen Karabiner mit sich führt. Das machte sich jetzt bezahlt, denn so konnte ich die Spikes einfach mit zwei Karabinern außen am Rucksack befestigen, ohne daß sie baumelten. Ich war stolz wie Oskar. Die Trailrunning-Stöcke, die ich mir im Vorfeld noch besorgt hatte, wollte ich eh nicht am Rucksack befestigen, obwohl das wahrscheinlich auch noch gegangen wäre. Also war alles gut. Und wieder einmal - und das ist bei solchen Unternehmungen nicht zu unterschätzen - war ich echt glücklich mit meinem Gear. Am Abend lagen wir dann noch zusammen vorm Fernseher und so klang der Anreisetag gemütlich aus.
Am nächsten Morgen um 3 Uhr in der Früh klingelte der Wecker! Im Halbschlaf zog ich meine Laufsachen an, schnappte meinen fertig gepackten Rucksack und verlies die Unterkunft auf leisen Sohlen, um meine beiden Damen nicht aufzuwecken. Mit dem Auto war ich schnell in der Trail City und hatte noch Zeit für ein Athletenfrühstück. Dann war noch ein etwas Wartezeit bis zu einem zweiten Gear Check - mit der Sicherheit wurde es sehr genau genommen. Der Startschuß war für 5:00 Uhr anberaumt. Nach einer weiteren recht kurzen Wartepause ging es schließlich los. Mit viel buntem Licht und durch Rauchwolken hindurch begannen alle, sich zu einem Lied von P.Diddy in Bewegung zu setzen. Den Titel hab ich vergessen - ich glaube, es war dieses Gozilla-Lied.
Es ist ein seltsam schöner Moment, mit Stirnlampe und kompletter Ausrüstung in die Nacht hinaus zu laufen und zu wissen, daß es jetzt gleich auf einen 3000er geht. Das wird noch verstärkt durch den gleichmäßigen Rythmus der Läufer um einen herum, jeder angestrengt atmend auf der Suche nach seinem Flow. Die ersten beiden Kilometer, die aus dem Ort und in Richtung Gletscherexpress Talstation führten, waren sehr schnell vorbei.
Ein kleines gelbes Schild wies den Weg zum Mittagskogel und alle folgtem ihm. Spätestens ab hier war es erstmal vorbei mit Laufen. Was eben noch ein breiter Weg war, wurde nun zu einem schmalen Singletrail und schließlich zu einem Steig. Es ging durch den morgendlichen Wald. Die Luft war kühl und feucht. Alles funktionierte wunderbar. In diesem Bereich zog sich das Feld bereits auseinander.
Der Übergang von Wald zu spärlich bewachsenem Berghang war abrupt. Plötzlich konnte ich das Tal hinunterblicken und sah, wie sich eine Wolkenwand in unsere Richtung hinaufarbeitete. Ich schätzte, daß es noch eine ganze Weile dauern würde, bis sie bei uns war. Das war allerdings ein Fehler. Keine 10 Minuten später war sie da und hüllte uns ein. Ich lief im dichten Nebel, der sich feucht auf meine Laufjacke legte. (In einer Eingebung hatte ich diese vor dem Start noch schnell angezogen und war nicht, wie ursprünglich geplant kurzärmlig gestartet.) Die Lichtstimmung war einzigartig. Der Tag brach gerade an - es war vielleicht so gegen 6 Uhr - und der Nebel umgab uns. Ich hatte so gehofft, solch abwechslungsreiche Natursituationen zu erleben...
Genauso schnell wie die Wolke da war, war sie auch wieder verschwunden. Der Weg verlief am Berghang. Die Steigung hielt sich in Grenzen. Von Zeit zu Zeit ging es sogar wieder leicht abwärts. Ein Profil, bei dem es sich gut laufen ließ. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber wenn man so in der Bewegung drin ist und es einfach läuft und man es auch bewußt erlebt und genießt - das ist einfach erhebend. Ich muss dann immer spontan lachen.
Aber so wie die unangestrengten Wegabschnitte kommen, so gehen sie auch wieder und es dauerte nicht lange, bis der Weg extrem steil wurde. Nicht so "Naja, das ist aber ganz schön steil, da kann ich nur langsam laufen.", sondern "Fuck, was ist das denn? Wo ist meine Bergsteigerausrüstung?" In dem Gelände haben sich die neuen Stöcke das erste mal so richtig bewährt. Hätte ich sie nicht gehabt, wäre der Lauf auf dem Mittagskogel für mich zu Ende gewesen.
Und es zog sich! Der Schweiß lief in Strömen. Die Schritte: klein. Von Stein zu Stein. Das Gelände verwandelte sich in geröllige Wüste mit großen Felsbrocken. Nimm, was der Trail dir gibt! Versuch nicht, mit zu großen Schritten voran zu kommen, wenn Du nicht weißt, wie lange es dauert. Das war es, was ich mir zu diesem Zeitpunkt immer wieder gesagt habe, schließlich war ich noch nicht über den höchsten Punkt der ersten Runde gekommen. Und dann hörte ich über mir, wie der Streckenposten ganz oben mit jedem, der vorbeikam, ein Freudengeschrei anstimmte. Das gab mir noch einmal extra Kraft und pushte mich den Berg hinauf.
Als ich den höchsten Punkt endlich überschritten hatte, fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich hatte immer das Höhenprofil des P45G vor Augen und nun war mir klar, daß ich den schlimmsten Teil bereits hinter mir hatte. Und ich hatte ihn genau so durchgezogen, wie ich es mir vorgestellt hatte: Nicht überpacen, Kraft einteilen, Stöcke zu Hilfe nehmen, um die Beine zu entlasten. Alles perfekt. Erstmal n Selfie! Nachdem ich zusammen mit dem Streckenposten einen Jauchzer in die Bergwelt entlassen hatte, begann ich den Abstieg zur Bergstation des Gletscherexpress. Über ein ausgedehntes Schneefeld rutschte ich dem VP entgegen, der dort auf mich wartete.
Der VP war genau richtig positioniert. Allerdings konnte ich nicht wirklich viel zu mir nehmen, was sich durch den ganzen Lauf hindurchzog. Ich konzentrierte mich auf Cola - ein magisches Getränk. Dann stellte ich fest, daß die ersten 10km 3h gekostet hatten. Von diesem Moment an begann die Pace-Rechnerei und nach jedem folgenden Kilometer schaute ich fortan auf die Uhr, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie ich im Rennen lag, schließlich gab es zwei Cut Offs. Der erste war nach 6h - also 11 Uhr - beim Durchlauf in Mandarfen, der zweite war 18 Uhr, also nach 13h im Ziel. Mir wurde klar, daß meine derzeitige Geschwindigkeit nicht ausreichte, um den Lauf innerhalb der Cut Offs zu schaffen, aber es war auch klar, daß die folgenden Strecken nicht so schwierig werden würden. Ich kannte zwar den Rest der ersten Runde nicht, aber dafür die zweite. Allerdings beruhigte mich das auch nicht sonderlich, da ich im Vorjahr gut fünfeinhalb Stunden dafür benötigt hatte, ohne vorher schon auf dem Mittagskogel gewesen zu sein...Naja, erstmal weiterlaufen.
Vom VP ging es hinab zum Gletscher. Endlich! Den Weg hatte ich mir schon im Vorjahr angesehen, als ich mit meiner Familie hier oben war. Damals lag kein Schnee. Dieses Jahr schon. Für alle, die so etwas noch nicht gemacht haben: Da war KEIN Weg. Das war ein Geröllfeld mit Schneebereichen, von denen man nicht wußte, was darunter war. Und hier und da gab es die Markierungen, die mir zeigten, in welche Richtung ich gehen musste. Das war nicht ganz ungefährlich, da es leicht passieren konnte, daß man sich verletzt, falls man im Schnee einbricht ohne ordentliche Seitenführung wegen der nicht-knöchelhohen Trailrunning-Schuhe. Also schön vorsichtig.
Beim Gletscher ließ ich mich nieder und versuchte die Spikes an meine Schuhe zu bekommen. Allerdings war dies der Moment, da sich die ersten Krämpfe hinterrücks anschlichen und zubissen. Deshalb musste ich mich einige Zeit mit dieser Aufgabe befassen. Schließlich gelang es mir und einer der besten Momente des ganzen Laufes war schließlich da: die Gletscherquerung. Als ich das Eis betrat, war ich zufrieden. Deshalb war ich noch einmal ins Pitztal gekommen. Nr 1: I will always place the mission first! (Ach nee, das kommt erst in Gear-Running-Days Teil 2... :) ) Die Spikes funktionierten klasse. Kein bisschen gerutscht. Cool, dachte ich, jetzt hab ich meine Bergausrüstung um ein sehr sinnvolles Detail ergänzt. Die werde ich sicherlich irgendwann noch einmal nutzen. Von Gletscherspalten, vor denen wir im Race Briefing am Vortag gewarnt worden waren und auf die wir selbst aufpassen sollten, war weit und breit nichts zu sehen. Der Weg über den Gletscher war schnurgerade und leider viel zu schnell vorbei :( Auf der anderen Seite hockte ein Fotograf (auch das hatte ich gehofft...) und machte nette Bildchen. Ich schnallte die Spikes wieder ab, verpackte sie und hängte schließlich auch meine Stirnlampe an den Rucksack. Diese sollte mir irgendwann ordentlich auf den Nerv gehen. Dann setzte ich meinen Weg Richtung Braunschweiger Hütte fort.
Als ich dort ankam, war ich zunächst enttäuscht, daß kein VP da war. Das hätte sich super angeboten. Stattdessen bot sich ein fantastisches Panorama mit Blick auf Mandarfen und den auf einem Plateau oberhalb der gegenüber liegenden Seite des Tales gelegenen Rifflsee. Von hier aus sah es so aus, als ob er ausläuft... Und er war noch meilenweit entfernt. Da sollte ich heute noch hin? Ein Wanderer (von denen es ab hier nun immer mehr geben sollte) applaudierte uns Läufern und meinte, daß nun ein "fantastischer Downhill" vor mir läge. Also freute ich mich schonmal vor, doch wie sich herausstellen sollte, war das etwas voreilig.
Ich weiß ja nicht, was man so im allgemeinen als "fantastischen Downhill" bezeichnet, aber ich fand ihn supertechnisch. Hohe Stufen auf einem sehr schmalen Weg - ich wurde oft überholt und verstehe immer noch nicht, wie man da runter rennen kann. Aber viele andere Läufer taten es. Ich hingegen bin von der ängstlichen - bzw. vorsichtigen - Fraktion, schließlich wollte ich keine Verletzung riskieren. Also alles schön pomalo. Die Seilversicherungen über lange Abschnitte hinweg gaben mir recht. Natürlich hatte ich auch die Zeit im Auge. Stellenweise konnte ich schneller unterwegs sein, aber alles in allem hatte ich kein gutes Gefühl. Immer wenn ich rechnete oder nach einem weiteren Kilometer auf die Uhr schaute, dachte ich, ich sei viel zu langsam. Schließlich hatte ich auch dieses Technik-Schmankerl (es ist ja nicht so, daß das keinen Spaß macht) hinter mir gelassen und konnte unten gemütlich bis zum Start- und Zielbereich in der Trail City joggen.
Als ich dort ankam realisierte ich langsam aber sicher, daß nun die erste Runde zu Ende war. Ich war überglücklich, sie geschafft zu haben und gut wieder runter gekommen zu sein. Beim Blick auf die Zeit war ich bafferstaunt. Ich hatte für die 19km 5 Stunden gebraucht, was eine glatte Stunde vor dem Timecap dafür war. Ich trank Cola und Saft und aß auch ein paar Happen. Unter dem Einfluß von genügend Zucker merkte ich nun, daß ich mich während der Lauferei permanent verrechnet hatte. Zum Glück. Das hieß, daß ich jetzt gut 8 Stunden für die Rifflsee-Taschachtal-Runde (oder auch den verbleibenden P30) Zeit hatte. Das sollte ja wohl reichen. Während ich mich verpflegte, erkannte ich den Thomas Samtleben, der kurz nach mir ins Ziel gekommen war. Wir wechselten ein paar Worte und ich erfuhr, daß er nun aufhört, da das für Ihn nur eine Trainingsrunde war und er irgendwann demnächst die "Fire and Ice"-Dingens in Island mit Joey Kelly machen will. Ok, das ist mir ne Nummer zu krass :)
Nachdem ich die Lampe zu meinem Rucksack gebracht und fertig gegessen hatte, machte ich mich auf den Weg in die zweite Runde. Allerdings kam ich an den öffentlichen Toiletten der Rifflsee-Bahn vorbei... Lasst mich soviel sagen: ich fühlte mich leicht wie eine Feder als ich weiterlief und war guter Dinge, die zweite Runde auch in time zu finishen. Und falls Ihr jetzt denkt "Wieso erzählt der uns, dass er aufs Klo gegangen ist?".... Wenn ihr mal bei einem Lauf unterwegs dringend aufs Klo mußtet, dann wißt Ihr, wieso ich das erwähnenswert finde :)
Die nächste Herausforderung war der Anstieg zum Rifflsee. 700 Höhenmeter. Ich sagte mir immer wieder "Nimm, was der Trail dir gibt!". Bloß nicht zu große Schritte machen und versuchen den eigenen Rythmus zu finden. Das gelang mir gut und während ich nach oben meditierte, stellte ich mir vor, daß Antje und Wibke irgendwo über mir gerade mit der Bahn nach oben fuhren, nach unten sahen und Wibke sagte: "Schau mal Mama, da ist der Papa. Der ist aber langsam!".
Oben angekommen, näherte ich mich der Sunnaalm (da kommt die Rifflsee-Bahn an) und - nee, das is jetzt nicht wahr, oder? - da springt mir meine Family entgegen. Es stellte sich heraus, daß sie schon vor einer ganzen Weile hoch gefahren waren und bereits den See einmal umrundet hatten. Ich hab mich riesig gefreut, daß wir ein paar Worte wechseln konnten während ich am VP ein paar Bissen zu mir nahm. Wibke sah aus, als hätte sie auch gern gekostet, aber ich sah davon ab, für sie etwas von der Verpflegung zu nehmen - die Läufer brauchten es definitiv dringender. Nach ein paar Minuten Pause ging es weiter.
Ich merkte sehr schnell, daß es um meine Energiereserven nicht gut bestellt war. Vom See aus wandte ich mich dem kleinen Seitental zu, an dessen Flanke es dann auf einem extrem flowigen Trail zurück zum Plodersee ging. Während ich diesen Trail entlang lief gab es auch wieder so eine schöne Wetterstimmung. Zunächst frischte der Wind auf und pustete die Wolken vor die Sonne. Plötzlich begann es zu regnen - nein, es war gar kein Regen, es war sogar Graupel. Das war gut, denn so musste ich die Regenjacke nicht anziehen. Graupel fällt einfach runter und man bleibt trocken. Genauso schnell wie er gekommen war, verschwand er auch wieder und die Sonne kam zurück. Ich beobachtete andere Läufer, die Ihre Jacken, die sie Augenblicke zuvor angezogen hatte, nun wieder auszogen. Konnte ich mir sparen.
Der Plodersee liegt oberhalb des Rifflsees und ist ein bisschen versteckt. Ein wirklich schönes Kleinod. Es muss ungefähr hier gewesen sein, als ich zusätzlich zur Kilometer-Rechnerrei auch mit der Gel-Zählerei begann. Ich schwankte zwischen: "Die Gels müssen nur bis zum Taschachhaus reichen." und "Ich sollte mir für den langen Rückweg noch etwas aufheben." Ausgehend von der Sunnaalm waren es ca. 16km bis zum Taschachhaus. Das Taschachtal selbst war ca. 7km lang. Von den restlichen 9km hatte ich gerade 6 hinter mir - macht also noch 10km bis zum VP. OK, ich nehm was! Ich nehm zwei Gels! Ein normales Powergel und so ein italienisches, das ich noch vom Brixen-Dolomiten-Marathon übrig hatte, "Action"-irgendwas - mit Koffein! Leute, ich sag Euch: Das war der reinste Nachbrenner! Bis zum Abzweig ins Taschachtal liefs praktisch von allein (weil auch noch bergab) und dann auf den Weg entlang der Bergflanke. Letztes Jahr kam der mir ewig vor. Diesmal konnte ich rennen! Nichts tat weh. Unglaublich! Ich flog, sprach mit allen Mitgliedern des Teams "Lars sein Körper rennt in den Bergen rum" und stellte weitere Energieschübe in Aussicht.
Nach 3km war die ganze Power raus. Mehr oder weniger schlagartig. Noch 4 Kilometer bis zum VP. Ich nahm ein Gel. Half nicht. Der Weg zog sich und zog sich. Mir fiel wieder ein, dass der Abstieg kurz vor dem Haus wirklich bescheiden war - sollte er auch diesmal sein. Unterwegs traf ich einen Wanderer. Ich glaube, er kam irgendwo aus meiner alten Heimat im Osten. Ich wollte ein paar flüchtige Worte mit Ihm wechseln, aber es stellte sich heraus, daß sein Wandern genauso schnell war, wie mein - aehm, auch - Wandern. Und er textete mich zu. Das war genau bei dem fiesen Downhill. Da fragt der mich doch tatsächlich, ob ich das genießen kann. Klar, Mann! Das hier ist der GENUSSTEIL des Trailruns!! Ok, hab ich nur gedacht und ausweichend geantwortet. Irgendwann war ich ihn wieder los - zum Glück - und konnte die letzten Meter bis zum VP in Ruhe zurücklegen.
Es war wie letztes Jahr: ich war platt und mußte noch zurück. Also wieder schnell viel schnellen Zucker aufnehmen, etwas essen (irgendwie wollte nix rein, aber es musste). Was salziges. Ich schaute auf die Uhr - kurz vor 16 Uhr. Ok, das ging sich noch aus, obwohl ich wieder rechnete: 7km zurück, pro km mit einer 10er Pace macht kurz nach 17 Uhr Ankunft im Ziel. Ich war schockiert, als mir bewußt wurde, dass ich wahrscheinlich mehr als 12 Stunden brauchen würde. Aber so war es, half nichts. Als ich den letzten technischen Teil des Weges kurz nach dem Haus hinter mir gelassen hatte, war es nur noch Schotterpiste. Ich konnte nicht mehr laufen. Alle, die ich auf dem Hinweg an der Talflanke überholt hatte (weil es mir gut ging), überholten mich nun wieder. War mir egal!
Ich quälte mich den ewig langen Weg aus dem Tal raus, ging schnell, lief ein paar Meter, ging wieder schnell. Und dann, zirka 2km vor dem Ziel sah ich sie - meine Mädels. Sie standen auf dem Weg und bildeten mit den Armen eine kleine Brücke, unter der ich hindurch laufen konnte. Das Ziel war auch bereits in Sicht. Ich lief durch die Brücke und dann begann Wibke, neben mir her zu traben. Und so näherten wir uns zusammen die letzten Meter dem Ziel. Kurz bevor wir es erreichten, fragte sie, ob sie mit durchs Ziel laufen solle. Ich sagte, sie kann es selbst entscheiden und dann "Ja". Und so überquerte ich dieses Jahr zusammen mit meiner Tochter die Ziellinie des Pitz Alpine Glacier Trail.
Und dann wieder dieser seltsanme Moment, in dem einem gratuliert wird, in dem ich nichts mitkriege, weil ich einfach nur versuche, auf den Füßen stehen zu bleiben und in dem mir die Medaille um den Hals gehängt wird. Einfach sureal. Die Erleichterung und die Freude über das Erreichte kamen im Laufe des Abends während wir in einem winzig kleinen Lokal saßen und zu Abend aßen. Ich hatte das Gefühl, dass ich nun für mich im Pitztal alles erreicht hätte, was ich mit der mir für Training zur Verfügung stehenden Zeit erreichen kann. Vielleicht müßte ich mich aber auch mehr auf Trailruns konzentrieren und weniger auf OCRs? Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, nach dem zweiten Überqueren der Ziellinie auch nur noch einen einzigen weiteren Meter zu laufen.
Aber als ich so drüber nachdachte, fiel mir auf, daß ich sogar innerhalb der Cut Offs für die Fortsetzung des Rennens über eine längere Distanz geblieben war (wenn ich auch zu deren Startzeit auf den Trail gegangen wäre). Und das, obwohl Runde zwei mit 7,5 Stunden schon deutlich langsamer war, als Runde eins. Und jetzt frage ich mich: Wenn ich all meine Kraft an genau diesem Punkt darauf konzentriere nicht aufzuhören, sondern die nächste Schleife über die Kaunergradhütte in Angriff zu nehmen, würde ich dann vielleicht auch den P60 hinkriegen? Immerhin hatte ich dieses Jahr 47km und knapp 3000hm zurückgelegt. So viel fehlt zu 60km nicht mehr.
Vielleicht finde ich das nächstes Jahr raus....
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